Ziviler Ungehorsam gegen die italienische Regierung

In Italien begehren prominente Bürgermeister aus grossen Städten – Palermo, Bari, Neapel, Florenz, Mailand, Livorno und Parma – gegen das unlängst verabschiedete Sicherheits- und Immigrationsgesetz der populistischen Regierung auf. Manche von ihnen drohen damit, es einfach zu ignorieren. Sie sagen, es stutze auf unzulässige Weise die Grundrechte der Zuwanderer und sorge so für mehr statt weniger Unsicherheit in den Städten und für mehr Schwarzarbeit… Kontrovers ist das Gesetz vor allem deshalb, weil es Zehntausende Asylsuchende, die bisher mit einer «Aufenthaltsbewilligung aus humanitären Gründen» ausgestattet waren, in die Illegalität schickt, in den Untergrund… Viele dieser neuerdings statusfreien Menschen verlassen das Land aber nicht, weder freiwillig noch zwangsweise: Sie landen auf der Strasse. Es gibt Schätzungen, die von etwa 120’000 Betroffenen ausgehen… Alle Rechte und Integrationshilfe, die sie unter dem alten Gesetz genossen, erlöschen sofort. Das hat vor allem mit Artikel 13 des neuen Gesetzes zu tun. Er verbietet es den Gemeinden, diese Personen in das Register ihrer Einwohner aufzunehmen, wie das bislang der Fall war. Und ohne Eintrag haben sie kein Recht, die Kinder zur Schule zu schicken. Das Gesundheitswesen bleibt ihnen verschlossen, Arbeit finden die Papierlosen höchstens noch in der Schattenwirtschaft, auf den Gemüsefeldern im Süden zum Beispiel, wo sie vom organisierten Verbrechen ausgebeutet werden. Die kritischen Bürgermeister sprechen von einer «sozialen Bombe»…

(Tages-Anzeiger, 5. Januar 2019)

Eigentlich ist es absurd. Ginge es nach den linken Politikern, hätten wir schon längst eine gerechtere Welt und auch damit auch viel weniger Flüchtlinge und Migranten, als dies heute der Fall ist. Die rechten Politiker auf der anderen Seite sind genau die, welche durch ihr Festhalten am Dogma des freien kapitalistischen Marktes – und damit der freien Ausbeutung der Armen durch die Reichen – einer ungerechten Welt Vorschub leisten, für das «Flüchtlingsproblem» somit hauptverantwortlich sind und zu allem Überdruss noch politisches Kapital daraus schlagen, indem sie die latente Fremdenfeindlichkeit in der Bevölkerung schüren und auf diese Weise an die Macht gelangen, die sie dafür missbrauchen, um erst recht das ganze Rad der kapitalistischen Ausbeutung noch weiter zu beschleunigen und immer stärker von den Missständen zu profitieren, die sie selber verursacht haben. Die linken Politiker auf der anderen Seite, die an den Missständen weit weniger Schuld tragen, sind gezwungen, die von ihnen nicht verursachten Probleme auszubaden und, wenn sie gegen restriktive Gesetze opponieren, sich als «Gesetzesbrecher» oder «Gutmenschen» beschimpfen zu lassen. Verkehrte kapitalistische Welt…