Wie sich die Territorien der Reichen auf Kosten der Territorien der Armen immer weiter ausdehnen

 

Weil die Autos immer breiter werden – seit 1995 um über sieben Zentimeter – müssen, wie die heutige “NZZ am Sonntag” vom 20. Dezember 2020 berichtet, die Parkplätze in der Schweiz nach und nach verlängert und verbreitert werden. Da die zur Verfügung stehenden Bodenflächen heute schon knapp sind, wird dies mit grösster Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass zum Beispiel Radwege, Fussgängerbereiche und Kinderspielplätze verkleinert werden müssen. Dies ist nur eines von unzähligen Beispielen, wie sich die Territorien der Reichen auf Kosten der Territorien der Armen immer weiter ausdehnen. Gleiches gilt für das Geld, Symbol für Besitztum und Macht: Während die 64 Prozent der ärmeren Steuerpflichtigen der Schweiz 65 Milliarden Franken besitzen, verfügt das reichste Prozent über 790 Milliarden Franken. Gleiches gilt für den Wohnraum: Während 73 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer davon träumen, eigenes Wohneigentum zu erwerben, sind es nur gerade zehn Prozent, die sich das tatsächlich auch leisten können. Und all dies ist im globalen Massstab noch viel krasser: Die zehn Reichsten der Welt besitzen über 1000 Milliarden Dollar – 40 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Jede Hektare tropischen Regenwalds, der zwecks Fleischproduktion für die Reichen in Brasilien abgeholzt wird, fehlt den dort lebenden Ureinwohnern als Lebensraum. Alle Flächen, die für den Anbau von Bananen, Kaffee oder Kakao genutzt werden, gehen für die Nahrungsmittelproduktion der ansässigen Bevölkerung verloren. Jedes Gramm Kobalt, Lithium oder seltener Erde, das aus dem Boden geschürft wird, steht zukünftigen Generationen nicht mehr zur Verfügung. Jede Luxusvilla in Mumbai oder Rio de Janeiro zwingt die Armen dazu, sich in den Slums auf noch engerem Raum zusammenzupferchen. Meist werden solche Meldungen und Zahlen wahrgenommen als Zufälligkeiten, die nichts miteinander zu tun haben. Tatsächlich aber hängt alles mit allem zusammen, von den immer breiteren Autos über den knappen Wohnraum bis zur Zerstörung des brasilianischen Tropenwalds. In einer Welt, in der sich die Territorien der Reichen immer weiter ausdehnen auf Kosten der Territorien der Armen und in der nicht die soziale Gerechtigkeit, sondern die gegenseitige Ausbeutung, Gewinnmaximierung und das Dogma endlosen Wachstums an oberster Stelle stehen. Punktuelle Änderungen und Reformen genügen daher nicht. Es braucht vielmehr eine grundlegende Erneuerung unseres gesamten Wirtschafts- und Gesellschaftssystems, damit das “gute Leben” nicht nur für privilegierte Minderheiten, sondern für alle Menschen weltweit heute und in Zukunft Wirklichkeit werden kann.