Weshalb Analena Baerbock und alle ihre Gesinnungsgenossinnen und Gesinnungsgenossen offensichtlich von Psychologie noch nie etwas gehört zu haben scheinen…

 

“Die Wirtschaftssanktionen”, so die deutsche Aussenministerin Analena Baerbock, “werden Russland ruinieren.” Und: “Russland wird jahrelang nicht mehr auf die Beine kommen.” Mit solchen und ähnlichen Aussagen bewegt sich Baerbock im Fahrwasser führender US-Politiker, die seit Jahrzehnten zunächst die Sowjetunion und dann Russland als “Reich des Bösen” bezeichnen und sich demzufolge logischerweise , auxh wenn sie dies nicht immer offen aussprechen, die Vernichtung dieses “Bösen” auf die Fahnen geschrieben haben. Einer, der es offen aussprach, ist der ehemalige US-Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski, der im Juni 2009 unter anderem Folgendes zum Besten gab: “Die neue Weltordnung wird gegen Russland errichtet, auf den Ruinen Russlands und auf Kosten Russlands.” Ebenfalls Klartext sprach Ben Hodges, ehemaliger Befehlshaber der US-Armee in Europa: “Ziel der USA ist Russlands Spaltung und Zerfall.” Wie weit verbreitet diese Denkweise im Westen ist, zeigt auch folgende Aussage von Markus Somm, schweizerischer Historiker und Verleger, im März 2022: “Die Sowjetunion hat nun mal den kalten Krieg verloren und mit dieser Niederlage muss Russland nun leben.”

Baerbock, Brzezinski, Hodges, Somm und unzählige weitere ihrer Gesinnungsgenossen und Gesinnungsgenossinnen, die sich offensichtlich nichts Schöneres vorstellen können als eine Vernichtung Russlands, scheinen offensichtlich von Psychologie noch nie etwas gehört haben. Schon die banalsten psychologischen Kenntnisse müssten sie darüber aufklären, dass sich mein Gegenüber, unabhängig davon, ob es sich um eine einzelne Person oder eine Regierung oder eine ganze Nation handelt, nur umso wilder gebärdet, je mehr ich sie verletzte, angreife, demütige, verachte. So betrachtet, ist der Angriff Russlands auf die Ukraine, welche sozusagen vor der eigenen Haustür diesen selbstherrlichen, demütigenden Westen verkörpert, zwar nicht gutzuheissen, aber mindestens psychologisch nachzuvollziehen. Da haben wir es doch mit nichts anderem als einem Bär zu tun, dem so lange und so unerbittlich tödliche Wunden beigefügt worden sind, bis er buchstäblich den Verstand verloren hat und nun mit aller Kraft, die ihm noch geblieben ist, zuschlägt. Demütigung ist das beste Mittel, um einen Konflikt zu entfachen. Wer den Krieg sucht, muss seinen potenziellen Gegner nur so lange kränken, bis dieser seine Fassung verliert, losschlägt und man dann zu allem Überdruss ihm allein die Schuld in die Schuhe schieben kann. Ein Spiel, das wir schon bei raufenden Jugendlichen beobachten können und das im Kleinen wie im Grossen den genau gleichen Gesetzmässigkeiten folgt.

Der einzige Weg, dieses Muster der Konfliktbeschleunigung zu verlassen, würde darin bestehen, den potenziellen Gegner bei allen noch so gravierenden Differenzen ernst zu nehmen, ihm auf gar keinen Fall seine Existenzberechtigung abzusprechen und stets mit ihm im Gespräch zu bleiben – all das also, was im gegenwärtigen Konflikt zwischen Russland und dem Westen aufs Sträflichste vernachlässigt wird. “Man sollte nie versuchen”, sagte der frühere US-Präsident John F. Kennedy, “sich selber als Sieger und den anderen als Besiegten hinzustellen.” Doch genau dies hat der Westen im Siegestaumel nach dem Ende des kalten Kriegs, aus dem die Sowjetunion und das spätere Russland als Verlierer hervorgegangen sind, getan. Erst wenn der Westen, allen voran die USA, seine Allmachtsphantasien aufgibt, Russland als gleichwertigen Partner in einer multipolaren Welt anerkennt und das Prinzip friedlicher Koexistenz an die Stelle gegenseitiger Vernichtungsideologien getreten ist, kann ein Frieden Wirklichkeit werden, der auch auf längere Zeit hinaus Bestand haben wird und in dem sich die Menschen hüben und drüben der heutigen Todeszonen nicht mehr als Feinde erkennen, sondern als Brüder und Schwestern auf dem Weg zu einem gemeinsamen, guten Leben für alle.