Und was, wenn uns der Strom eines Tages ausgeht?

 

Elektromobile boomen schon fast so wie E-Bikes. Flugzeuge sollen zukünftig mit Wasserstoff angetrieben werden, zu dessen Aufbereitung eine Unmenge an Elektrizität benötigt wird. Rechenzentren für die Bewältigung der wachsenden Flut digitaler Daten verschlingen so viel Strom wie ganze Grossstädte. Die Palette untereinander vernetzter und vom Smartphone gesteuerter Haushaltsgeräte wächst und wächst. Alles in allem, so die Prognose des Elektrokonzerns Axpo, wird der Strombedarf in der Schweiz bis zum Jahr 2050 um 35 Prozent ansteigen. So ist es nicht verwunderlich, dass ein unlängst veröffentlichter Bericht des Bundes warnt, die Sicherheit der schweizerischen Stromversorgung könnte schon in wenigen Jahren nicht mehr garantiert sein. Als mögliche Massnahme schlägt der Bund vor, im Schnellverfahren Gaskraftwerke zu bauen, um der Gefahr einer Strommangellage vorzubeugen. Und die Axpo schlägt vor, die bisherigen Kernkraftwerke erst nach 60 Jahren abzuschalten, während Economiesuisse-Präsident Chrstoph Mäder sogar den Ausstieg aus der Kernenergie grundsätzlich infrage stellt. Zudem soll weiterhin Strom aus der EU importiert werden. Schliesslich setzt man grosse Hoffnung in die Solarenergie. Erforderlich wäre aber eine Ausweitung der bestehenden Anlagen um das 14fache – was in Anbetracht der nötigen Bewilligungsverfahren wohl ein reiner Wunschtraum bleiben muss. Erstaunlicherweise spricht alles nur davon, wie man den steigenden Strombedarf in Zukunft abdecken könnte. Aber niemand spricht davon, ob es nicht vielleicht zweckmässiger und zukunftsträchtiger wäre, schlicht und einfach nicht mehr solche Unmengen an Strom zu verbrauchen, wie wir uns das heute gewohnt sind. Denn auf alle fossilen Energiequellen zu verzichten, alles auf die Karte der erneuerbaren Energien zu setzen und zugleich Jahr für Jahr mehr Strom zu verbrauchen – das ist eine Rechnung, die früher oder später schlicht und einfach nicht aufgehen kann. Man spricht zwar immer von “intelligenten” Technologien, aber wirklich intelligent und vorausschauend wäre es doch, einen masslos verschwenderischen Lebensstil zu hinterfragen, der im Moment zwar viele Annehmlichkeiten mit sich bringt, uns aber gleichzeitig buchstäblich den Boden unter den Füssen wegfrisst. Muss es in den Herbstferien tatsächlich der Flug nach Teneriffa sein oder wäre die Wanderwoche im Engadin nicht mindestens so erlebnisvoll und erholsam? Brauche ich wirklich ein E-Bike oder täte es meiner Gesundheit nicht vielleicht sogar besser, weiterhin die Hügel mit meinem elektrofreien Bike hochzukraxeln? Bin ich wirklich auf ein privates Automobil angewiesen oder wäre es vorstellbar, zur Gänze auf den öffentlichen Verkehr umzusteigen? Oder, wenn ich wirklich unbedingt ein Automobil bräuchte: Welche Wege wären auch ohne das Automobil zu bewältigen, mit dem öffentlichen Verkehr, dem Fahrrad oder zu Fuss? Muss ich mir wirklich zu jeder Tages- und Nachtzeit und an jedem beliebigen Ort auf meinem Smartphone Videos und Spielfilme anschauen können? Könnte ich mir vorstellen, für die Wohnungsmiete ein wenig mehr Geld aufzuwerfen und dafür so nahe bei meinem Arbeitsort zu leben, dass ich auf mühsames Pendeln in überfüllten Zügen oder Bussen verzichten könnte? Brauche ich tatsächlich alle diese miteinander vernetzten und gesteuerten Unterhaltungs-, Haushalts- und Kommunikationsgeräte in meiner Wohnung, den riesigen Flachbildschirm, die Musikanlage, mit der man ganze Konzerthallen beschallen könnte, den selbstfahrenden Rasenmäher, der sich während 24 Stunden durch meinen Garten bewegt? Gewiss: Die Konsumentinnen und Konsumenten, das ist nur die eine Seite. Die andere, das sind die Firmen, welche alle diese stromfressenden Fahrzeuge, Geräte und Kommunikationsmittel produzieren. Doch wenn etwas nicht mehr gekauft wird, dann wird es früher oder später auch nicht mehr hergestellt. So einfach ist das. Unser heutiges Konsumverhalten und unseren heutigen verschwenderischen Lebensstil kritisch zu hinterfragen, hat nichts mit blinder, verklärender Nostalgie zu tun – ganz abgesehen davon, dass sich schon heute ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung die meisten dieser “Luxusgüter” sowieso schon gar nicht erst leisten können. Wünschbares von Machbarem zu unterscheiden, Sinnvolles und Sinnloses zu unterscheiden, das wäre ein verantwortungsbewusster Blick in die Zukunft: Dass nämlich möglichst viele, aber eben nicht blindlings alle dieser Annehmlichkeiten, die wir heute geniessen, auch noch unseren Kindern und Kindeskindern zur Verfügung stehen werden. Denn nicht nur die Energie, auch die Rohstoffe sind begrenzt. Längerfristig können wir nicht mehr verbrauchen, als die Erde stets von Neuem wieder nachwachsen lässt. “Die Welt”, sagte Mahatma Gandhi, “hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier.”