Und niemand müsste sich schämen…

Grosses Verwechslungschaos bei der Migros-Tochter Micarna: Viele Mitarbeiter des Fleischverarbeitungsbetriebs erhielten am Mittwoch per Post zusätzlich zum eigenen Lohnauszug jeweils den eines anderen Mitarbeiters. «Die Angestellten», so R.A. (24), «haben sich extrem darüber aufgeregt. Denn niemand will, dass der andere erfährt, wie viel er verdient.»

(20minuten, 13. September 2019)

Kein Wunder, ist das bestgehütete Geheimnis der Schweizerinnen und Schweizer der Lohn. Ein nahezu religiöses Dogma: Über den Lohn spricht man nicht. Denn dann müsste man sich ja schämen: Entweder weil man so viel mehr verdient als andere, was man gar nicht wirklich verantworten kann. Oder weil man so wenig verdient, dass jeder andere denkt, der sei zu faul oder mit dem stimme sonst etwas nicht. Aber wahrscheinlich spüren nur alle eine riesige Ungerechtigkeit. Und wahrscheinlich wären sie wirklich am glücklichsten, wenn sie alle genau gleich viel verdienen würden. Dann müsste sich niemand mehr schämen, alle könnten offen über ihren Lohn sprechen und am Abend könnten sie sich mit gutem Gewissen zu Bett legen. In der Schweiz würde der Einheitslohn etwa 6500 Franken betragen, von der Putzfrau über den Baggerführer bis zum Chefarzt. Es wäre schon fast so etwas wie das Paradies…