Umverteilung von Reich zu Arm?

Eine Untersuchung der Universität Luzern zeigt, welche Einkommensgruppen wie viel zu den gesamten Steuereinnahmen beitragen. Erstmals sind in der Studie alle Einkommenssteuern von Bund, Kantonen und Gemeinden zusammengefasst. Demnach bezahlt das reichste Prozent der Steuerpflichtigen mit Reineinkommen ab 322’000 Franken fast ein Viertel aller Einkommenssteuern. Die obersten 10 Prozent mit Einkommen ab 107’000 Franken tragen zusammen mehr als die Hälfte der Steuererträge bei. Umgekehrt bringt es die untere Hälfte der Steuerzahler zusammen nur auf knapp 11 Prozent. Bei so viel Umverteilung von Reich zu Arm ist die 99-Prozent-Initiative der Juso, wonach das reichste Prozent der Schweizerinnen und Schweizer mehr Steuern bezahlen sollen als bisher, nicht nur kontraproduktiv, sondern schlicht und einfach überflüssig.

(Tages-Anzeiger, 8. August 2019)

Tönt ja alles sehr gut. So, als wäre das reichste Prozent der Bevölkerung besonders grosszügig. So, als profitierten die weniger reichen 90 Prozent der Bevölkerung von den reichen 10 Prozent. So, als müssten die Ärmeren den Reicheren für dieses «Geschenk» dankbar sein.  Doch wir leben ja nicht in einem luftleeren Raum, sondern in einem kapitalistischen Wirtschaftssystem, in dem eine permanente Umverteilung von Arm zu Reich stattfindet: Indem die Bestverdienenden bis zu 300 Mal höhere Einkommen haben als die am schlechtesten Verdienenden. Indem Geld, das in grosser Menge vorhanden ist, dank Zins und Zinseszins in wachsendem Ausmass von Generation zu Generation weitergegeben wird. Indem man durch Aktien und Dividenden als Mitbesitzer von Firmen mehr verdienen kann als durch die harte Arbeit der eigenen Hände. So gesehen ist das, was die Reichen an Steuern zahlen, alles andere als ein Geschenk an die Armen. Tatsächlich ist dieses Geld bloss ein kleiner Teil dessen, was die Reichen zuvor den Armen «geklaut» haben und nun «grosszügigerweise» zu einem winzigen Teil diesen wieder zurückgeben. So gesehen ist die 99-Prozent-Initiative der Juso weder unnötig noch überflüssig, sondern nicht mehr als ein dringend notwendiger Tropfen auf einen heissen Stein.