Höchste Zeit, um von der Kriegslogik zur Friedenslogik zurückzukehren

 

Eine von der “New York Times” verifizierte Videoaufnahme, so berichtet das “Tagblatt” vom 8. April 2022, zeige, wie eine Gruppe ukrainischen Militärs gefangene russische Soldaten ausserhalb eines Dorfes westlich von Kiew getötet hätte. Zu sehen sei ein vermutlich verwundeter, russischer Soldat mit einer über den Kopf gezogenen Jacke, auf den ein Soldat zweimal geschossen hätte. Als sich der Russe weiterbewegt habe, hätte man weitere Schüsse auf ihn abgefeuert. Zu hören sei auf dem Video auch ein ukrainischer Soldat, der gesagt hätte: “Das sind nicht einmal Menschen.” Zu sehen seien drei weitere Soldaten in der Nähe des Opfers, in der Nähe ihrer Köpfe befänden sich Blutlachen. 

Gemäss “New York Times” sollen die Morde das Resultat eines ukrainischen Hinterhalts gewesen sein, als sich die russischen Truppen auf dem Rückzug befunden hätten. Der Vorfall zeigt, dass in diesem Krieg nicht nur, wie oft angenommen wird, die russische, sondern auch die ukrainische Seite Kriegsverbrechen begeht. Vom UN-Kommissariat für Menschenrechte ausführlich dokumentiert sind auch zahlreiche Menschenrechtsverletzungen, welche vom Regiment Asow, das Seite an Seite mit den ukrainischen Truppen kämpft, seit 2014 in der Ostukraine begangen worden sind. Berichtet wird unter anderem von grausamsten Folterungen, Scheinrichtungen und Massenvergewaltigungen. 

Zu glauben, in einem Krieg gäbe es auf der einen Seite nur die “Guten” und auf der anderen nur die “Bösen” wäre wohl naiv. Der Krieg selber ist es, der Menschen, die zuvor noch keiner Fliege etwas zu Leide getan hätten, zu Verbrechern und Bestien macht. Und deshalb kann nur ein Ende des Kriegs solchen Verbrechen, solchen Menschenrechtsverletzungen, solchen Zerstörungen und solchem grenzenlosem Leiden ein Ende bereiten. Doch die Wortführer und die Kriegstreiber auf beiden Seiten scheinen diese Lektion noch nicht verstanden zu haben. “Wir sind Russen – wir werden siegen”, schreibt die russische Botschaft in Bern auf ihrer Website. Und genau die gleichen Worte, nur diesmal aus ukrainischer Sicht, verwendet Wolodomir Selenski. Sind sie eigentlich alle von Blindheit geschlagen? Eine solche Haltung verlängert den Krieg doch bloss ins Unermessliche, denn bis die eine oder die andere Seite den “Sieg” davon getragen hat, kann es noch Monate oder Jahre dauern und werden noch Abertausende von Menschen für dieses “Heldentum” ihrer Führer mit dem Leben bezahlen. 

Man kann nicht den Sieg und den Frieden gleichzeitig haben wollen – das eine schliesst das andere aus. Die einzige Alternative zum Siegenwollen um jeden Preis ist eine Friedenslösung, aufeinander zuzugehen, einen Kompromiss suchen, mit dem beide Seiten leben können. Alle die europäischen Regierungen, die jetzt so lautstark nach weiteren Sanktionen rufen, russische Diplomaten ausweisen, Russland aus internationalen Konferenzen ausschliessen und eine immer grössere Anzahl von Waffen liefern, würden stattdessen ihre Stimme viel gescheiter für den Frieden erheben, bevor es zu spät ist und sich die tödliche Spirale weiterdreht bis hin zu einem dritten Weltkrieg und dem möglichen Einsatz von Atomwaffen, welche dann nicht nur dem “bösen” Feind, sondern auch sich selber endgültig den Garaus machen würden.

 Ja, es ist höchste Zeit für die Deeskalation anstelle der Eskalation, Zeit für eine internationale Friedenskonferenz, welche an die Stelle der Kriegslogik eine Friedenslogik setzen würde, welche den Menschen wieder eine Hoffnung auf ein Leben jenseits von Krieg und Zerstörung vermitteln könnte. Die Unterstützung einer ganz überwiegenden Mehrheit der Menschen weltweit wäre einem solchen Engagement für den Frieden wohl zweifellos gewiss. Denn, wie schon der römische Philosoph Cicero sagte: “Selbst der ungerechteste Frieden ist immer noch besser als der Krieg.”