Ukraine: Das erste Opfer des Krieges ist immer die Wahrheit

 

“Das erste Opfer des Krieges ist immer die Wahrheit” – diese Aussage des US-Senators Hiran Johnson im Jahre 1914 bewahrheitet sich einmal mehr in der Art und Weise, wie über den seit nunmehr mehr als zwei Wochen wütenden Krieg in der Ukraine berichtet und wie dieser in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Keine Frage: Der Angriff Russlands auf die Ukraine ist in aller Schärfe, Deutlichkeit und Unmissverständlichkeit zu verurteilen, für Kriege gibt es nie und unter keinen Umständen eine Rechtfertigung. Aber mit der – verständlichen – Wut auf die russische Regierung und insbesondere Wladimir Putin sind wir offensichtlich auf dem anderen Auge völlig blind geworden, es gibt nur noch Schwarz oder Weiss, Gut oder Böse, Freund oder Feind. So “böse” Wladimir Putin – und in seinem Gefolge schon bald das gesamte russische Volk – wahrgenommen wird, in umso hellerem Licht erstrahlt die Ukraine, als wäre dieses Land ein unbestreitbarer Hort von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten. Tatsache ist, dass – gemäss “Wikipedia” – seit 1991 das Ukrainische die einzige zugelassene Amtssprache des Landes wie auch die Pflichtsprache in den Schulen ist, obwohl grosse Teile der Bevölkerung immer wieder gefordert haben, Russisch als zweite Amtssprache einzuführen. Neuerdings müssen sogar auch sämtliche Zeitungen des Landes ausschliesslich in Ukrainisch erscheinen – wenn ein Verlag dennoch eine russische Ausgabe veröffentlichen will, muss sie parallel dazu eine ukrainische Auflage publizieren, was in aller Regel nur schon aus finanziellen Gründen gar nicht möglich ist. Und das soll eine vorbildliche Demokratie sein? Kein besseres Licht wirft der Europäische Rechnungshof in einem Bericht vom 23. September 2021 auf die Ukraine: “Grosskorruption und eine Vereinnahmung des Staates durch private Interessen sind in der Ukraine immer noch weit verbreitet.” So ist es nicht verwunderlich, wenn die Ukraine – gemäss “de.statistica.com” – in der “Korruptionsweltrangliste” den Platz 122 von 180 untersuchten Staaten belegt – Platz 1 ist der am wenigsten, Platz 180 der am meisten korrupte Staat. Immer wieder ins Reich der Lügen wird auch der Vorwurf Russlands verbannt, wonach rechtsextreme, nationalsozialistische Kräfte in der ukrainischen Armee eine wichtige Rolle spielten. Tatsache ist, dass – wie der “Spiegel” berichtet – zahlreiche “Neonazis” auf der Seite der ukrainischen Streitkräfte kämpfen. Gemeint ist vor allem das rechtsextreme Asow-Regiment der ukrainischen Nationalgarde. Rechtsextreme wie das Asow-Regiment, so die “Weltwoche”, “hoffen, endlich ihren Hass auf russische Untermenschen austoben zu können.” Eine besonders berüchtigte und wegen ihrer brutalen Foltermethoden gefürchtete Kampftruppe ist – so “watson.ch” – die tschetschenische Paramiliz “Kadyrowzy”. Einseitige Schuldzuweisungen ranken sich auch um den Donbass und das Minsker Abkommen, in dem sich, durch Deutschland und Frankreich 2014 und 2015 vermittelt, die Konfliktparteien in der Ostukraine zu einer Friedenslösung verpflichteten. Entgegen der Behauptung, nur die Separatisten hätten sich nicht an die Vereinbarungen gehalten, berichtete der “Deutschlandfunk” am 13. Juli 2016: “Sowohl die Ukraine wie auch die Separatisten halten ihre Zusagen nicht ein und verletzten das Minsker Abkommen wiederholt.” Dass das erste Opfer des Krieges die Wahrheit ist, hat vor allem auch damit zu tun, dass nebst der Schlacht zwischen Panzern, Flugzeugen, Bodentruppen und Einzelkämpfern eine zweite, ebenso heftige Schlacht tobt, die Propagandaschlacht im Fernsehen und in den sozialen Medien. Eine Schlacht, die in Bezug auf die Meinungsbildung über das Kriegsgeschehen eine eminent wichtige Rolle spielt. Wie sehr dabei mit manipulierten Informationen operiert wird, zeigte ein Beitrag der “Rundschau” am Schweizer Fernsehen vom 9. März: Angeblichen Kriegsopfern wird künstliches Blut ins Gesicht gestrichen, ein Mann wühlt eine angebliche Landmine aus dem Boden, die tatsächlich eine Kunststoffattrappe ist, und es werden angeblich abgeschossene feindliche Flugzeuge gezeigt, die tatsächlich aus einem Videogame herausgeschnitten wurden. In dieser Sparte, so berichtet die “Rundschau”, habe sogar die ukrainische gegenüber der russischen Propaganda die Oberhand, sei sie doch im Vergleich mit der simplen und hölzernen russischen Propaganda viel professioneller und raffinierter. Unwillkürlich fragt man sich dann sogar, ob das russische Bombardement einer Kinderklinik in Mariupol am 9. März tatsächlich mehrere Kinder und Mitarbeitende getötet hat oder ob, wie der russische Aussenminister Serge Lawrow behauptet, das Spital gar nicht mehr in Betrieb gewesen, sondern vom Bataillon Asow besetzt worden sei, welches zuvor sämtliche schwangere Frauen, Ärzte und Krankenschwestern vertrieben hätte. Aussage gegen Aussage, wem soll man glauben? Normalerweise glauben wir den “guten” Ukrainern, nicht den “bösen” Russen. Aber wer garantiert, welche Seite Recht hat und welche nicht? Braucht es nicht gerade in so kriegerischen Zeiten umso mehr eine Abkehr von allzu einseitigem Schwarzweiss- und Freundfeindbilddenken? Das Bemühen, die eigene Sichtweise immer wieder zu hinterfragen? Eine kritische Distanz zu allzu starren Positionen, die nur blind machen für alles, was nicht ins gemachte Bild hineinpasst? Nicht um irgendetwas zu verharmlosen, zu beschönigen oder zu rechtfertigen. Sondern nur, um wieder erste Fäden zu spinnen zwischen dem, was auseinandergerissen worden ist, im Grunde aber zusammengehört. Selbst wenn Wladimir Putin und ein paar Dutzend Oligarchen und selbstherrliche Kriegstreiber in Moskau für diese Fäden unerreichbar sind, so gibt es doch noch viele Millionen Russinnen und Russen, die unter diesem Krieg genauso leiden wie Millionen von Menschen in der Ukraine und all jenen Ländern, die von den Wirtschaftssanktionen existenziell betroffen sind. Das Dümmste, was uns einfallen kann, ist, diese Millionen von Menschen aufzuspalten in “Gute”, für die alle anderen die “Bösen” sind, und in “Böse”, die von allen “Guten” verhöhnt, verlacht und verfolgt werden. Selbst in den Zeiten des Krieges, und dann erst Recht, dürfen wir uns niemals zu Feinden unserer selbst machen lassen. Nicht dem “Feind” dürfen wir keine Chance lassen, sondern dem Hass, der Gewalt und dem Krieg. “Entweder”, sagte der amerikanische Bürgerrechtskämpfer Martin Luther King, “überleben wir gemeinsam als Brüder und Schwestern, oder wir gehen als Narren miteinander unter.”