Tourismus in Simbabwe: ein kapitalistisches Lehrstück

Der Tourismus ist enorm wichtig für Simbabwe. Er trägt über acht Prozent zum Bruttoinlandprodukt des herabgewirtschafteten Staates im südlichen Afrika bei. Hauptattraktion sind die Victoriafälle. 150 Franken kostet ein Helikopterflug von zwölf Minuten, um aus der Luft ein gutes Foto schiessen zu können. Auch Riverrafting ist sehr beliebt: «Amazing!», schwärmt eine Amerikanerin bei Speck, Würstchen und Cornflakes. Doch nicht nur das reichhaltige Frühstücksbuffet, auch Unterkunft, Swimmingpool, Wellnessangebote und der üppige Park des Luxusresorts lassen dem verwöhnten Publikum aus Amerika und Europa keine Wünsche offen. Schliesslich will man etwas haben für die 250 Franken, welche eine Nacht hier kostet. Derweilen die Kellnerinnen, welche die internationale Gästeschar bedienen, pro Tag zehn Stunden arbeiten müssen, mit zwei Mal fünf Minuten Pause. Und das für gerade mal 20 Franken pro Monat. «Meine Beine und Füsse schmerzen», sagt die 23jährige Nokuthaba, als sie nach getaner Arbeit nach Hause kommt, um für ihre Kinder zu kochen. Die Miete ihres Häuschens kann sie nur dank dem Trinkgeld bezahlen, der Monatslohn würde dafür nicht ausreichen.

(www.srf.ch)

Brutaler könnten die reiche Welt des Nordens und die arme Welt des Südens nicht aufeinanderprallen. Die beiden Kehrseiten der gleichen kapitalistischen Medaille, auf deren einer Seite der wohlgenährte Tourist aus den USA oder Europa seine Füsse im Hotelpool baumeln lässt, neben sich eine Platte erlesenster Köstlichkeiten, bevor er sich zur Ganzkörpermassage begibt und anschliessend zu einem opulenten Festmahl. Während die junge Frau, die ihn zehn Stunden lang bedient hat, hungrig und mit schmerzenden Füssen voller Blasen nach Hause humpelt. Doch während die kapitalistischen Ausbeutungsketten in den meisten Fällen weltweit weit auseinandergerissen sind – der Käufer eines Handys irgendwo in Europa ist nie konfrontiert mit den chinesischen Arbeiterinnen, welche das Handy hergestellt haben -, treffen im Tourismus Täter und Opfer unmittelbar aufeinander. Man meint, der Gast aus dem Norden würde es nicht aushalten, sich von einer einheimischen Frau bedienen zu lassen, welche in einem ganzen Monat zwölf Mal weniger verdient, als er für eine einzige Nacht im Hotel zu zahlen bereit ist. Man meint, er müsste aus seiner Rolle ausbrechen, der Frau sein halbes Reisegeld überlassen oder auf einen Helikopterflug verzichten, um der Frau das gesparte Geld zu geben. Man meint, er müsste sich beim Hotelbesitzer über die unsäglichen Arbeitszeiten und die skandalösen Hungerlöhne der Angestellten beschweren, zum Revolutionär werden oder zumindest zu einem fortan überaus kritischen Zeitgenossen, der sich überall und jederzeit für soziale Gerechtigkeit und gegen Ausbeutung einsetzen wird. Doch weit gefehlt. Nichts dergleichen geschieht. So tief hat sich der Kapitalismus in unser Denken eingegraben und das Verrückte zum Normalen gemacht, dass wir das alles wissen, uns an allem beteiligen – und dennoch ruhig und mit gutem Gewissen schlafen können…