“System Change, not Climate Change”: Dringender denn je…

 

Die “Festung Europa” soll, um Flüchtlinge gezielt abzuwehren, mithilfe der Grenzschutzagentur Frontex weiter ausgebaut werden. Auch die Schweiz ist an diesem Projekt beteiligt und will ihren hierfür zur Verfügung stehenden Beitrag von jährlich 14 auf 61 Milliarden Franken erhöhen. Dagegen hat die Aktivistengruppe Migrant Solidarity Network das Referendum ergriffen. In Rio de Janeiro und anderen südamerikanischen Grossstädten lassen die Reichen rund um ihre Grundstücke immer höhere Mauern, Befestigungsanlagen und Alarmsysteme bauen, um unliebsame Eindringlinge aus den Armutsvierteln abzuwehren. Und die indonesische Hauptstadt Jakarta plant eine gewaltige Barriere von 30 Kilometern Länge draussen im Meer, um die Stadt vor dem steigenden Meeresspiegel zu schützen, Kostenpunkt 40 Milliarden Dollar. Was haben die Festung Europa, die Mauern und Stahlgitter rund um südamerikanische Luxusviertel und die Meeresbarriere von Jakarta miteinander zu tun? Sehr viel. Sie alle sind Ausdruck eines verzweifelten, immer absurderen und kostspieligeren Kampfes gegen die Auswüchse des kapitalistischen Wirtschaftssystems, das nicht nur die Unterschiede zwischen Arm und Reich immer weiter anwachsen lässt, sondern mit seinen Dogmen des unbegrenzten Wachstums, der endlosen Gewinnmaximierung und der gnadenlosen Ausbeutung von Mensch und Natur hauptverantwortlich ist für den Klimawandel und seine dramatischen, lebens- und zukunftszerstörenden Folgen. Wie schon wieder war das damals, als die Mauer zwischen Ost- und Berlin fiel und die Sowjetunion wie ein Kartenhaus in sich zusammenbrach? “Das ist das Ende der Geschichte”, jubelte der amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama und meinte damit, dass das überlegene System – der Kapitalismus – nun endgültig über das gescheiterte Modell des Sozialismus gesiegt hätte und fortan durch nichts mehr Neues, Besseres ersetzt werden könnte. Heute erkennen wir, dass Fukuyama Recht gehabt haben könnte, aber nicht in dem Sinne, wie er es meinte, sondern in dem Sinne, dass der Kapitalismus tatsächlich das Ende der Menschheit auf diesem Planeten bedeuten könnte. Das sieht mittlerweile selbst ein so arrivierter Politiker wie der Uno-Generalsekretär António Guterres so, wenn er sagt: “Wir schaufeln unser eigenes Grab.” Ja, die Jugendlichen von “Fridays For Future” wissen schon, weshalb sie sich den Slogan “System Change, Not Climate Change” auf die Fahnen geschrieben haben. Jetzt, wo die Weltklimakonferenz begonnen hat, lagern Greta Thunberg und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter auf der anderen Seite des Flusses und ihre Schreie dringen nicht in die heiligen Hallen, wo die Würdenträgerinnen und Würdenträger aus aller Welt endlos debattieren – höchstwahrscheinlich ohne wirklich bedeutungsvolle Resultate zu erzielen. Wäre es nicht an der Zeit, die Jugendlichen der Klimabewegung in die Konferenzsäle hereinzulassen und die Würdenträgerinnen und Würdenträger in die Wüste zu schicken? Denn das “Ende der Geschichte” kommt so oder so, die Frage ist nur, ob es das Ende der Menschheit bedeutet oder den Anfang eines neuen Zeitalters, in dem alle Ausbeutung und alle soziale Ungerechtigkeit ein Ende haben und der Menschheit gelernt haben wird, mit sich, mit der Natur und mit allen zukünftigen Generationen im Einklang zu leben…