Synthetisches Kerosin als einzige Alternative?

Ein Modell für schadstoffarmes Kerosin – das haben der grünliberale Nationalrat und Chemiker Martin Bäumle, ETH-Professor Anthony Patt sowie Peter Metzinger, FDP-Politiker und Physiker, gemeinsam entwickelt. Der Plan sieht so aus: Auf Flugtickets wird eine Gebühr erhoben, die tief angesetzt ist. Das Geld fliesst nicht wie bei einer Lenkungsabgabe an die Bevölkerung zurück; es wird für die Entwicklung von synthetischem Kerosin eingesetzt. Der Flughafen Zürich und die Fluggesellschaft Swiss reagieren positiv auf den neuen Plan. Eine Swiss-Sprecherin erklärt, es handle sich um die einzige Option, die das Fliegen künftig klimaneutral machen könnte.

(NZZ am Sonntag, 8. September 2019)

Wenn die Swiss-Sprecherin meint, synthetisches Kerosin wäre die einzige Option für klimafreundliches Fliegen, dann irrt sie sich gewaltig. Es gibt nämlich eine viel näherliegende Option: überhaupt nicht zu fliegen. Weshalb können sich das so viele Menschen nicht vorstellen? Es muss etwas zu tun haben mit dem Grundbedürfnis nach «Freiheit»: Sowohl das Auto wie auch das Flugzeug vermitteln dieses Gefühl von Freiheit, zu jedem beliebigen Zeitpunkt schnell und bequem von jedem beliebigen Punkt A an jeden beliebigen Punkt B zu gelangen. Ein Gefühl, das vermutlich gerade deshalb so wichtig ist, weil es anderen Orten, insbesondere in der Arbeitswelt, aber auch in der Schule, viel zu kurz kommt. Wir sprechen zwar immer von der «freien» Marktwirtschaft, doch der einzelne Mensch wird immer mehr zu einem winzigen Rädchen, das je länger je mehr nur nach vorgeschriebenen Zwängen zu funktionieren hat. Wird die Freiheit am einen Ort dermassen eingeschränkt, so muss man sich nicht wundern, wenn sie am anderen umso heftiger aufbricht. So legt der durchschnittliche Schweizer, die durchschnittliche Schweizerin pro Jahr fast 25’000 Kilometer zurück, das ist die Distanz von Zürich nach Hawaii und umgekehrt, den allergrössten Teil davon mit Flugzeug und Auto – eine Steigerung von 21 Prozent in den letzten fünf Jahren! Das, liebe Swiss-Sprecherin, wäre doch auch eine Option: Dass die Arbeitswelt so umgestaltet wird, dass sich jeder Mensch in seiner täglichen Arbeit möglichst frei, autonom und selbstbestimmt fühlen kann. Wetten, dass dadurch das Bedürfnis nach möglichst vielem und weitem Reisen mit Auto und Flugzeug schlagartig abnehmen würde…