Schweizer Grossbanken und der Kohleabbau in Deutschland: Sie wissen genau, was sie tun…

 

Der am 15. Oktober 2020 vom Schweizer Fernsehen SRF ausgestrahlte Dokumentarfilm “Schmutzige Geschäfte – der Schweizer Finanzplatz und die Klimakrise” zeigt die Verwicklungen der Schweizer Grossbanken Credit Suisse und UBS mit dem deutschen Energiekonzern RWE, der nach wie vor in grossem Stil in der Nähe von Köln den Abbau von Kohle im Tagebau betreibt und nicht einmal davor zurückschreckt, ganze Dörfer dem Erdboden gleich zu machen und die betroffene Bevölkerung in neue Wohngebiete umzusiedeln. Zwei Sequenzen in diesem Dokumentarfilm sind mir besonders aufgefallen: Zunächst eine Szene, bei der Klimaaktivisten und Klimaaktivistinnen vor einer Zürcher Filiale der Credit Suisse eine friedliche Demonstration abhalten. Mitarbeitende der Bank, die sich zum Eingang begeben, werden von den Aktivisten und Aktivistinnen freundlich angesprochen und um eine Stellungnahme zu den umweltschädlichen Geschäften der Bank gebeten. Wie reagieren die Bankangestellten? Stechenden Schrittes preschen sie an den Demonstrantinnen und Demonstranten vorbei, verweigern jegliche Auskunft, bleiben nicht einmal stehen, suchen so schnell wie möglich die Eingangspforte, als wären sie auf der Flucht, eine Frau hält sich sogar den Arm vors Gesicht, als hätte sie Angst, in der Öffentlichkeit erkannt zu werden. Die zweite Sequenz: ein auf maximal fünf Minuten beschränktes Interview des Filmteams mit Bruno Bischoff, dem Beauftragten für Nachhaltigkeit der Credit Suisse. Was schon bei den flüchtenden Angestellten festzustellen war, zeigt sich hier fast noch deutlicher: Bischoff macht einen unglaublich unsicheren Eindruck. Als er den Raum, wo das Interview stattfinden wird, betritt, suchen seine Augen den ganzen Raum ab, als wollte er sich versichern, im Notfall den Raum so schnell wie möglich wieder verlassen zu können. Völlig unmotiviert schiebt er dann noch eine Topfpflanze beiseite, bevor er sich schliesslich in einen Sessel fallen lässt, nun bereit für Interview. Auch während des Interviews macht er einen extrem unsicheren Eindruck, es ist ihm in seiner Haut sichtlich ganz und gar nicht wohl. Als er dann meint, die Credit Suisse sei daran, eine nachhaltigere Anlagepolitik anzustreben und die Kredite an Firmen, welche Kohleabbau betreiben, nach und nach abzubauen, ist man nicht sicher, ob das bloss seine persönliche Meinung ist oder die offizielle Politik der Bank oder ob er es nur sagt, um bei all jenen, die den Film sehen werden, möglichst gut dazustehen. Nun, sowohl die flüchtenden Angestellten wie auch der topfschiebende Nachhaltigkeitsbeauftragte zeigen uns mit all ihren Zeichen von Abwehr, Angst und Unsicherheit, dass ihnen höchstwahrscheinlich sehr wohl bewusst ist, persönlich für Geschäfte verantwortlich zu sein, die sowohl in moralischer wie auch in ökologischer Hinsicht höchst bedenklich sind. Wenn sie sich ihrer Sache nämlich so sicher wären, könnten sie ja locker und gelassen den fragenden Demonstranten und Demonstrantinnen Auskunft geben und es gäbe auch keinen Grund, das Interview mit dem Nachhaltigkeitsbeauftragten auf fünf Minuten zu beschränken. Was für eine Erkenntnis lässt sich daraus ziehen? Nun, die im Zentrum des Dokumentarfilms stehende Grossbank ist nur eines von unzähligen kapitalistischen Unternehmen rund um den Erdball, die durch ihre Geschäfte, ihre Produktionsweise und ihre Profitsucht auf die eine oder andere Weise mehr oder weniger grossen sozialen und ökologischen Schaden anrichten. Ich bin mir aber fast ganz sicher, dass die meisten Menschen, die in diesen Unternehmen arbeiten, ja sogar ihre Chefs und die Kapitalbesitzer, in ihrem Innersten “wissen”, dass zu vieles von dem, was sie tun, zu grossen Schaden anrichtet, doch sehen sie keine Möglichkeit, daran etwas zu ändern. Sie sind sozusagen Gefangene ihrer eigenen Geschichte, der Geschichte der unersättlichen kapitalistischen Wachstumslogik mit all ihren weltweit verheerenden Folgen. Als wären sie auf einem grossen Schiff und würden sie immer deutlicher erkennen, dass dieses einem Abgrund entgegensteuert, aber sie sehen weit und breit keine Rettungsboote, um das Schiff zu verlassen und ein neues, besseres Schiff zu besteigen. Das bedeutet, dass wir eigentlich nicht so sehr gegen die “bösen” Kapitalisten ankämpfen müssten, sondern, zusammen mit ihnen, gegen den “bösen” Kapitalismus. Denn, wie schon Friedrich Dürrenmatt sagte: “Was alle angeht, können nur alle lösen.”