Schweizer Banker als Soldaten der Ukraine?

 

“Der russische Präsident Putin”, so der amerikanische Publizist und Pulitzer-Preisträger Tim Weiner im “Tagesanzeiger” vom 14. März 2022, “setzt sehr geschickt Fehlinformationen und Täuschungen ein. Washington versucht deshalb, den Meister der Informationskriegsführung mit dessen Waffen zu schlagen. Die US-Regierung und die Geheimdienste haben dafür einen Präventivschlag geführt gegen Putins potente Propaganda. Jetzt steht Putin nackt da vor der Welt. Das ermöglicht einen wirksamen Wirtschaftskrieg. Unserer neuen, starken Koalition gehören nun sogar auch die Schweizer Banker an und werden Soldaten in diesem Wirtschaftskrieg.” Weiter führt Weiner aus, dass die CIA im amerikanischen Bundesstaat North Carolina einen Stützpunkt habe, wo seit 2015 kleine Gruppen von Ukrainern für paramilitärische Operationen ausgebildet würden. In der Ukraine selber helfe ausserdem die National Security Agency (NSA), elektronische Abhörmassnahmen durchzuführen. Die NSA setze zu diesem Zweck ein neues, hochmodernes Spionageflugzeug ein, das alle Arten von Nachrichtendienst- und Aufklärungssensoren an Bord habe… Informationskrieg, Präventivschlag, Wirtschaftskrieg, Schweizer Banker als Soldaten der Ukraine, paramilitärische Operationen – ein Vokabular, das hellhörig macht und ein grelles Schlaglicht darauf wirft, wie eben nicht nur von russischer, sondern auch von westlicher Seite zunehmend eine Kriegslogik und eine Kriegsrhetorik die Oberhand zu gewinnen scheinen, die das allgemeine Denken immer mehr in eine ganz bestimmte Richtung zu lenken droht. Dass man nur schon auf die Idee kommt, Schweizer Banker als “Soldaten der Ukraine” zu bezeichnen, verdeutlicht, wie sehr hier schon alles einem Freund-Feind-Denken untergeordnet wird, das jegliche Gedanken an eine mögliche Friedenslösung in weite Ferne zu rücken scheint. Auch der Begriff ” Informationskrieg” lässt nichts Gutes erahnen und erinnert unwillkürlich an die “Brutkastenlüge”, die den USA als Vorwand dienten, um den Irak 1991 militärisch anzugreifen: Irakische Soldaten hätten bei der Invasion Kuwaits im August 1990 kuwaitische Frühgeborene getötet, indem sie diese aus ihren Brutkästen gerissen und auf dem Boden hätten sterben lassen. Erst nach der US-geführten militärischen Intervention zur “Befreiung” Kuwaits stellte sich die Geschichte als reine Erfindung der amerikanischen PR-Agentur Hill & Knowlton heraus. Die Vermutung liegt nahe, dass die CIA auch heute noch mit vergleichbaren PR-Agenturen zusammenarbeitet, geht es doch, wie Weiner explizit sagt, darum, den Gegner mit seinen eigenen Waffen – sprich Kriegspropaganda, Manipulationen und Falschinformationen – zu schlagen. Nun mag man einwenden, der eigentliche Aggressor sei unzweifelhaft Putin und alle gegen ihn ergriffenen Massnahmen, Operationen und Sanktionen seien bloss berechtigte Mittel zur Selbstverteidigung der Ukraine bzw. des Westens. Nur bedeutet dies letztlich eine Kapitulation vor jener Kriegslogik, die nur immer alles noch schlimmer macht, je mehr sie von beiden Seiten auf die Spitze getrieben wird. Egal ob auf der einen Seite russisches Machtgebaren, auf der anderen Seite die von Russland als bedrohlich empfundene NATO-Osterweiterung und dazwischen die Ukraine als Zankapfel globaler Machtpolitik: Es müssten doch all jene Mittel, all jene Energie, all jene Zeit, die für den Krieg, für Wirtschaftssanktionen und für gegenseitige Desinformationskampagnen verschleudert werden, in den Abbau gegenseitiger Ängste und Feindbilder und in den Aufbau einer gemeinsamen Friedenslösung investiert werden. “Entweder werden wir gemeinsam als Brüder und Schwestern überleben”, sagte der amerikanische Bürgerrechtskämpfer Martin Luther King, “oder wir werden als Narren miteinander untergehen.”