Reinigungsfachmann P.: Wie eine Zitrone, die man bis zum Letzten auspresst und dann einfach fortwirft

 

P., so berichtet der “Tages-Anzeiger” am 1. März 2021, steckt in einem Teufelskreis. Der 63jährige Spanier arbeitete während mehreren Jahren als Reinigungsfachmann. Im Januar 2020 wechselte er seine Stelle, doch als kurz darauf die Coronapandemie ausbrach, wurde ihm noch in der Probezeit gekündigt. Er meldete sich beim RAV und erhält nun monatlich 2300 Franken. Auf alle Bewerbungen erhielt er bisher nur Absagen. Bereits beginnt sich ein Schuldenturm anzuhäufen. Doch den Gang aufs Sozialamt möchte P. vermeiden, ist ihm doch aus seinem Umfeld davon abgeraten worden: Ausländerinnen und Ausländer könnten, wie man immer wieder höre, auf einer schwarzen Liste landen, den Aufenthaltsstatus verlieren oder gar des Landes verwiesen werden. – Da kommt mir unweigerlich die Zitrone in den Sinn, die bis zum Letzten ausgepresst wird und die man dann, wenn sie leer ist, einfach fortwirft. Zwar wird immer wieder gesagt, wie dankbar Ausländerinnen und Ausländer sein müssten, wenn sie hier in der Schweiz eine Arbeitsstelle fänden, gutes Geld verdienen und von guten Sozialleistungen profitieren könnten. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte der Wahrheit besteht nämlich darin, dass diese “grosszügige” Schweiz mindestens so dankbar sein muss, wenn es Ausländer wie P. gibt, die meist zu bescheidenen Löhnen all jene Arbeiten verrichten, für welche man Schweizerinnen und Schweizer schon gar nicht mehr finden würde. Die gleiche einseitige Sicht der Dinge – dass Menschen “froh” und “dankbar” sein müssen, arbeiten zu “dürfen” – zeigt sich auch in den Begriffen “Arbeitgeber” und “Arbeitnehmer”. Als handle es sich bei den “Arbeitgebern” um besonders grosszügige Menschen und Firmen, welche etwas verschenken, von dem andere, eben die Beschäftigten, profitieren würden. Aber ist es nicht gerade umgekehrt? Sind es nicht vor allem die “Arbeitgeber”,  die von den bestehenden Arbeitsverhältnissen den grössten Nutzen ziehen? All ihre Macht und all ihr Geld würden in nichts zerfliessen, wenn es nicht genügend Menschen gäbe, deren zu bescheidenem Lohn geleistete Arbeit sich unaufhörlich in das wachsende Geld und die Profite der Unternehmen verwandelt. Müsste man nicht sogar diese Begriffe ins Gegenteil verkehren? Wer ist es denn, der die Arbeit “gibt”, und wer ist es, der sie “nimmt”? Tatsächlich sind es doch die “Arbeitnehmer”, die etwas “verschenken” – ihre Kraft, ihr Wissen, ihre Begabungen, ihre Leidenschaft, ihre Zeit, ihre Geduld, oft auch ihre Gesundheit -, und sind es nicht die “Arbeitgeber”, die von alledem “beschenkt” werden und erst noch mit einer grösseren Menge Geld dafür belohnt werden, sich auf Kosten anderer zu bereichern? Dass überhaupt jemand auf die Idee kommt, Menschen, die uns jahrelang ihre Arbeitskraft “geschenkt” und satte Gewinne ihrer Firmen erwirtschaftet haben, nun von einem Tag zum anderen des Landes zu verweisen, lässt sich wohl nur damit erklären, dass wir offensichtlich noch meilenweit davon entfernt sind, zur kapitalistischen Logik von Ausbeutung und Profitmaximierung einen radikalen Gegenentwurf  der Menschlichkeit, Solidarität und sozialen Gerechtigkeit zu erdenken und aufzubauen.