Reichste versenken Bidens Reichtumssteuer – ist das noch eine echte Demokratie?

 

“Wir sollten stolz darauf sein, dass unser Land soviel Reichtum produzieren kann” – mit diesen Worten, so berichtet der “Tagesanzeiger” vom 1. April 2022, kämpft John Manchin, demokratischer Senator aus West Virgina, gegen Joe Bidens Plan einer Reichtumssteuer, von der nicht das jeweilige Vermögen als solches, sondern das Wachstum von Vermögen betroffen wäre. Wenn zum Beispiel der Wert des Facebook-Aktienpakets von 30 auf 60 Milliarden Dollar zunähme, dann würde man diese 30 Milliarden als Einkommen deklarieren und entsprechend versteuern. Bekämpft wird die Idee einer solchen Reichtumssteuer auch mit Argument, dass jeder und jede eines Tages reich werden könne und dafür nicht schon zum Vornherein “bestraft” werden sollte. Auch Kongresspräsidentin Nancy Pelosi, selber eine der reichsten Abgeordneten, lehnt Bidens Vorschlag ab. Man merkt schon, dass auch in den amerikanischen Schulen nur das ABC der Buchstaben und das Einmaleins gelehrt wird, nicht aber das ABC des Kapitalismus. Sonst wüssten nämlich Manchin, Pelosi und alle anderen, die sich gegen die Einführung einer Reichtumssteuer einsetzen, wie Reichtum tatsächlich zustandekommt. Nämlich dadurch, dass Millionen von Menschen für ihre Arbeit weniger verdienen, als diese Arbeit eigentlich Wert wäre, und sich dieses Geld dann in den Reichtum der Reichen verwandelt. Die Reichen sind nur deshalb reich, weil die Armen arm sind – Reichtum und Armut sind die beiden Kehrseiten der gleichen kapitalistischen Münze. Mit jedem Kilo Brot, das gekauft wird, mit jeder Arbeitsstunde am Fliessband, mit jedem Haus, jeder Strasse und jeder Brücke, die gebaut werden, mit jeder Versicherung, die abgeschlossen wird, mit jeder Tonne Stahl, die in ein Auto, ein Schiff oder einen Panzer verwandelt wird, fliesst unaufhörlich Geld aus den Taschen der Armen in die Taschen der Reichen und demzufolge werden auch die Unterschiede zwischen ihnen immer grösser. Geld fällt nicht vom Himmel, es wächst auch nicht auf irgendwelchen exotischen Bäumen oder in irgendwelchen geheimnisvollen Muscheln auf dem Meeresgrund. Es entsteht einzig und allein aus den Tränen, dem Schweiss und dem Blut all jener, die täglichste Schwerstarbeit verrichten und dennoch von den Früchten ihrer Arbeit ausgeschlossen bleiben. Wenn irgendwer auf irgendetwas zu Recht stolz sein müsste, dann gewiss nicht die Reichen auf ihren Reichtum, sondern all die Millionen Tag für Tag hart arbeitenden Frauen und Männer auf das, was sie unermüdlich leisten, die Bauarbeiter und die Krankenpflegerinnen, die Verkäuferinnen und die Fabrikarbeiter, die Putzfrauen und die Lastwagenfahrer, die Gärtner und die Friseusen, die Bäcker und die Kinderbetreuerinnen, ohne deren unermüdlichem Einsatz von früh bis spät die ganze Wirtschaft und Gesellschaft augenblicklich zusammenbrechen und selbst der ganze Reichtum der Reichen im Nichts verschwinden würde. Wenn Abgeordnete, von denen selber die meisten über weit überdurchschnittliche Vermögen verfügen, sich gegen die Einführung einer Reichtumssteuer wehren, die nur ein klein wenig mehr Gerechtigkeit mit sich bringen würde, dann kann man wohl kaum mehr von einer echten Demokratie sprechen, dies umso weniger, als gemäss Umfragen eine grosse Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung Bidens Vorschlag einer Reichtumssteuer unterstützen würde. Müsste man das nicht eher als “Plutokratie” bezeichnen, als Diktatur des Reichtums und des Geldes? An dem Tag, an dem eine echte Demokratie an die Stelle der kapitalistischen Plutokratie getreten sein wird, wird man nicht mehr stolz darauf sein, “möglichst viel Reichtum zu produzieren”, sondern darauf, den vorhandenen Reichtum möglichst gleichmässig und gerecht unter alle Menschen verteilt zu haben.