Von der Krankenpflegerin bis zum Rechtsanwalt: Was ist ein gerechter Lohn?

Pflegepersonal, Verkäuferinnen und Verkäufer, Landarbeiter und Landarbeiterinnen, Lastwagenfahrer, Reinigungspersonal, Kehrichtmänner, Kitaangestellte: Es brauchte offensichtlich die Coronakrise, um einer breiten Öffentlichkeit bewusst zu machen, wie wichtig und “systemrelevant” ausgerechnet all jene Berufe sind, welche in aller Regel nur geringes gesellschaftliches Ansehen geniessen und sich trotz zumeist harter Arbeitsbedingungen mit einem vergleichsweise geringen Lohn zufrieden geben müssen. Dabei gewinnt die Frage, was denn ein “gerechter” Lohn sei, neue Aktualität: Wie viel mehr oder weniger als eine Krankenpflegerin soll ein Bankangestellter verdienen? Wie viel mehr oder weniger als ein Rechtsanwalt soll ein Landschaftsgärtner verdienen? Und wie viel mehr oder weniger als eine Gymnasiallehrerin soll ein Buschauffeur verdienen? Für sämtliche Lohnunterschiede können beliebig viele und beliebig mehr oder weniger an den Haaren herbeigezogene Argumente ins Feld geführt werden. Das einzig wirklich Gerechte wäre ein Einheitslohn, tragen doch alle Werktätigen gleichermassen zum Funktionieren von Wirtschaft und Gesellschaft bei und könnte man weder auf die einen noch die anderen verzichten, ohne dass das Ganze zusammenbrechen würde. Sämtliche Argumente, mit denen heute höhere Löhne gegenüber niedrigen gerechtfertigt werden, sind nichts anderes als wenig überzeugende Versuche, Privilegien Einzelner auf Kosten anderer zu rechtfertigen. Wer von den Gutverdienenden auch immer nur einen einzigen Tag lang in die Rolle eines Schlechtverdienenden schlüpfen würde, der würde seine Meinung wohl ziemlich schnell ändern. Denn, wie schon Karl Marx sagte: “Die tiefen Löhne beruhen einzig und allein auf der fehlenden gesellschaftlichen Macht der davon Betroffenen, den echten Wert ihrer Arbeit zu ertrotzen.” Ein Einheitslohn läge gegenwärtig in der Schweiz bei rund 6500 Franken. Alle, die jetzt weniger verdienen, würden jubeln. Und die anderen, die jetzt mehr verdienen, könnten mit ein bisschen mehr Bescheidenheit auch ganz gut damit leben. Und wie man einen Einheitslohn konkret realisieren könnte? Ganz einfach: Alle, die mehr als den Durchschnittslohn verdienen, würden monatlich die Differenz in eine gesamtschweizerische Ausgleichskasse einzahlen, alle anderen bekämen den ihnen zustehenden Fehlbetrag aus eben dieser Kasse wiederum ausbezahlt. Dann wären wir wieder dort, wo die afrikanischen Ureinwohner schon vor tausend Jahren waren: Alle Männer des Dorfes gingen auf die Jagd. Einige erledigten mehrere Tiere, andere weniger, wieder andere gar keine. Aber am Abend, wenn alle wieder in ihr Dorf zurückkehrten, wurde alles gleichmässig unter alle verteilt…