Nur noch 5 Franken pro Tag

Die Studie des Büros Bass «Berechnung und Beurteilung des Grundbedarfs in den Skos-Richtlinien» zeigt erstmals auf, welche Auswirkungen weitere Kürzungen in der Sozialhilfe hätten, so wie sie gegenwärtig in verschiedenen Kantonen diskutiert werden. Demnach reiche bereits der aktuell geltende Grundbedarf nur knapp aus, um eine menschenwürdige Existenz zu sichern. Der Grundbedarf in der Sozialhilfe liegt mit 986 Franken pro Person und Monat schon heute deutlich tiefer als der Grundbedarf bei den Ergänzungsleistungen. Dort ist er mit 1607 Franken rund 60 Prozent höher als in der Sozialhilfe. Der Vergleich mit anderen Minimalbudgets zeigt gemäss der Studie auch, dass beispielsweise bei den Verkehrsausgaben der in der Skos-Pauschale vorgesehene Betrag deutlich zu tief angesetzt ist. Problematisch könnten sich zudem die nicht über das Sozialhilfebudget gedeckten Kosten auswirken. Es handelt sich dabei etwa um Schuldentilgung, Steuern, zu bezahlende Alimente, Militärpflichtersatz, Prämien für nicht per sofort kündbare Versicherungen oder zu hohe Mieten. Ein Teil der Ausgaben, den Sozialhilfebezüger aus dem Grundbedarf finanzieren müssen, hat den Charakter von Fixkosten wie beispielsweise Ausgaben für den Haushaltstrom und Gebühren. Dies bedeute, dass Einsparungen als Folge der Kürzungen nur im Bereich des täglichen Bedarfs möglich seien, stellt die Studie fest. Bei einer Kürzung des heutigen Grundbedarfs um acht Prozent stünden in einer vierköpfigen Familie pro Tag und Person noch sieben Franken für Lebensmittel und Genussmittel zur Verfügung, bei einer Kürzung um 30 Prozent sogar nur noch fünf Franken. «Davon kann man sich nicht mehr ausreichend und gesund ernähren», wird Felix Wolffers, Co-Präsident der Skos, in einer Mitteilung zitiert. Skos-Co-Präsidentin Therese Frösch ergänzt: «Unter den Kürzungen leiden insbesondere auch die mitbetroffenen Kinder. Sie machen 30 Prozent der Sozialhilfebeziehenden aus.» Eine Reduktion des Grundbedarfs sei ohne Beeinträchtigung der Gesundheit sowie ohne Defizite bei der Integration in die Gesellschaft nicht möglich, schreibt die Skos… Derzeit laufen in einigen Kantonen Bestrebungen, die heute schweizweit weitgehend harmonisierten Ansätze für den Grundbedarf in der Sozialhilfe zu senken. Konkret will beispielsweise der Kanton Bern gemäss einer vom Parlament verabschiedeten Gesetzesrevision den Grundbedarf um acht bis 30 Prozent kürzen. Eine Volksabstimmung mit Volksvorschlag wird voraussichtlich im kommenden Mai stattfinden. Im Kanton Aargau hat das Parlament zwei Postulate angenommen, die eine 30-prozentige Kürzung beziehungsweise eine Koppelung der Sozialhilfe an AHV-Beiträge und Steuern vorsehen. Und im Kanton Basel-Landschaft hat das Parlament eine Motion angenommen, die eine 30-prozentige Kürzung der Sozialhilfe vorsieht.

(NZZ, 8. Januar 2019)

 

In was für einem Land leben wir eigentlich? Da plant der Bundesrat sechsspurige Autobahnen von Genf über Zürich bis St. Gallen, da bezahlen Gutbetuchte für ein Zimmer im Luxushotel Tausende von Franken pro Nacht, da wächst die Zahl der Millionäre beinahe täglich, da nimmt die Zahl der Flugreisen in ferne Feriendestinationen von Jahr zu Jahr zu. Und da wundert man sich, wenn nach all dem Übermass an Vergeudung den Ärmsten im Lande gerade mal fünf Franken pro Person und Tag fürs Essen übrigbleibt. Haben wir nicht bald Zustände wie in Frankreich zu Ende des 18. Jahrhunderts? Weshalb ist es damals zu einer Revolution gekommen und heute hierzulande nicht? Wie viel soziale Ungerechtigkeit kann eine Gesellschaft aushalten, bis sie zusammenbricht?