Nicht nur in totalitären Staaten, sondern auch in sogenannt freiheitlichen Demokratien wird die öffentliche Meinung systematisch manipuliert…

 

Der deutsche Ex-General Erich Vad, der sich für einen Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine und für sofortige Friedensverhandlungen einsetzt, wird im “Tagesanzeiger” vom 10. März 2023 als “Liebling aller Extremisten” und als General im Gewand einer “Friedenstaube” bezeichnet. Er spreche vor allem “die Kräfte ganz links und ganz rechts im politischen Spektrum” an, “von der Marxistin Wagenknecht bis zur AfD-Chefin Alice Weidel”. Er spiele seine “Dissidentenrolle” häufig in Talkshows des deutschen Fernsehens und in Medien, welche an “alternativen Fakten” interessiert seien. Politisch komme Vad “von ziemlich weit rechts” und hätte sich immer wieder für Carl Schmitt, den Kronjuristen der Nationalsozialisten, begeistert.

So weit sind wir also schon. Ein unbefangener ehemaliger deutscher General, der, wie man bei seinen TV-Auftritten unschwer feststellen kann, stets ruhig und sachlich seine durch und durch überzeugenden Argumente für eine baldmöglichste Beendigung des Ukrainekriegs vorbringt, wird in die Nähe von “Extremisten” gerückt, ihm gleichsam ungesagt unterstellend, er sei selber ebenfalls ein “Extremist”, umso mehr, als er politisch “von weit rechts” komme. Während es gleichzeitig niemandem in den Sinn zu kommen scheint, jene politischen Exponentinnen und Exponenten wie Agnes Strack-Zimmermann oder Andrij Melnyk, welche massive Waffenlieferungen an die Ukraine befürworten und nicht einmal vor der Gefahr eines möglichen dritten Weltkriegs zurückschrecken, als “Extremistinnen” oder “Extremisten” zu bezeichnen.

Es ist die beliebte Taktik der Mainstreammedien, unbequeme Stimmen in die Nähe von – linkem oder rechtem – Extremismus zu rücken und ihnen damit jegliche Legitimation abzusprechen. So ist im erwähnten Artikel des “Tagesanzeigers” nicht einfach von “Sahra Wagenknecht” die Rede, sondern von der “Marxistin Wagenknecht”. Auch in der Berichterstattung über die von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer initiierte Friedenskundgebung vom 25. Februar 2023 in Berlin war vor allem davon die Rede, dass mit diesem Anlass rechtsextremen Gruppierungen eine öffentliche Plattform geschaffen worden und durch Wagenknecht und Schwarzer der AfD und ihren Gesinnungsgenossen in die Hände gespielt worden sei. Während kaum je etwas zu lesen oder zu hören war über die Inhalte der von Wagenknecht und Schwarzer gehaltenen Reden und schon gar nicht über die Ausführungen des über Videobotschaft zugeschalteten US-Ökonomen Jeffrey D. Sachs, welcher auf anschauliche Weise die Mitschuld des Westens am Ausbruch des Ukrainekonflikts erläuterte. Bezeichnend auch, dass Erich Vad im Artikel des “Tagesanzeigers” als “Dissident” bezeichnet wird, der “alternative Fakten” – in Anspielung an die umstrittene Informationspolitik Donald Trumps – verbreite. Als handle es sich bei Wagenknecht, Schwarzer und Vad um ein paar uneinsichtige, vom “richtigen” Weg abgekommene Spinner oder Irrläuferinnen. Dabei denken nach neuesten Umfragen immerhin mehr als ein Drittel der deutschen Bevölkerung genau so wie sie.

Die Beispiele zeigen, dass nicht nur in totalitären Staaten, sondern auch in sogenannt freiheitlichen Demokratien die öffentliche Meinung systematisch manipuliert wird. Man steckt zwar unbequeme Menschen wie Wagenknecht, Schwarzer oder Vad nicht ins Gefängnis und belegt sie auch nicht mit einem Redeverbot. Aber man rückt sie in die Nähe extremistischen Gedankenguts, verknüpft sie mit diffamierenden Begriffen oder stellt ihnen in TV-Talkshows eine zahlenmässig genug grosse Übermacht entgegen, welche ihnen jedes Wort im Munde umdreht, bevor sie es überhaupt noch gesagt haben, um ihnen auf diese Weise jegliche Legitimation schon zum Vornherein unter den Füssen wegzuziehen. Die Aufgaben der öffentlichen Berichterstattung und Meinungsbildung in einer Demokratie wären aber eine ganz andere: vorurteilsfrei und unvoreingenommen mit unterschiedlichen Meinungen umgehen, einander ernsthaft zuhören, zu verstehen versuchen, was der andere meint, nicht gegeneinander, sondern miteinander der Wahrheit auf die Spur kommen. Wollen wir den Krieg im Grossen auf dem Schlachtfeld überwinden, dann müssen wir auch den Krieg im Kleinen in unseren Köpfen und in der Art und Weise der medialen Berichterstattung und der öffentlichen Meinungsbildung überwinden.