Neues schweizerisches Antiterrorgesetz: Prävention gegen Terrorismus ist gut und lebenswichtig, aber wenn, dann richtig

 

Das neue schweizerische Anti-Terror-Gesetz, über das am 13. Juni 2021 abgestimmt wird, soll mehr Möglichkeiten für die Polizei schaffen, gegen potenzielle Gefährder vorzugehen, bei denen konkrete und aktuelle Anhaltspunkte darauf hinweisen, dass sie in Zukunft eine terroristische Aktivität ausüben könnten. Dabei geht es vor allem um “Linksextreme”, “Rechtsextreme” und “Islamisten”, wobei Letztere in der öffentlichen Diskussion im Zentrum stehen. Namentlich könnten gegen solche Gefährder Kontakteverbote, elektronische Überwachung mit Fussfesseln, Standortverfolgung über Mobiltelefone, Meldepflicht, Hausarrest sowie ein Verbot, das Land zu verlassen, verhängt werden, und dies bereits ab dem Alter von zwölf Jahren. Kein anderes Land weltweit ausser Saudi-Arabien kennt ein so strenges Anti-Terror-Gesetz. Zahlreiche Strafrechtler und Strafrechtlerinnen geben zu bedenken, dass so weitreichende Massnahmen gegen Menschen, die ja noch keine Straftaten begangen haben, höchst bedenklich und auch nicht vereinbar seien mit den internationalen Menschenrechten. Dass Prävention gegen Terrorismus auch ganz anders angegangen werden könnte, skizzierte Olivier Roy, französischer Politikwissenschaftler und profunder Kenner muslimischer Gesellschaften und Gemeinschaften, in einem Artikel der NZZ vom 5. Januar 2021. Am Beispiel von Frankreich zeigt Roy auf, dass man, um den islamistischen Terror zu bekämpfen, dem Islam mehr Raum in der Gesellschaft geben müsste, statt ihn in Nischen abzudrängen, wo es an jeglicher sozialer Kontrolle fehle. Auch sei es wichtig, dass die islamischen Gemeinschaften gut ausgebildete, einheimische Geistliche hätten, welche die soziale Realität der Gläubigen kennen und teilen, an Stelle von schlecht bezahlten Imamen, die aus den Ursprungsländern geholt werden und kaum die Landesspreche sprechen. Diese Geistlichen wiederum sollten, so Roy, nicht in Industriearealen oder Hinterhöfen predigen, sondern in hellen, schönen Moscheen. Vorbildlich sei in diesem Zusammenhang Österreich, wo der Staat muslimische Gemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkennt. Roys Ausführungen werfen in der Tat ein schiefes Licht auf die Art und Weise, wie die Schweiz mit ihrer muslimischen Minderheit umgeht. Statt den “hellen, schönen Moscheen”, müssen sich die islamischen Glaubensgemeinschaften meist nach wie vor mit Industriearealen und Hinterhöfen zufrieden geben. Und die Diskussionen und Abstimmungen über Minarette, Burkas und Kopftücher zeigen, dass Vorurteile und Ressentiments gegenüber einer Minderheit, die immerhin fast sechs Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht, immer noch weit verbreitet sind. Einverstanden, man muss dem Terrorismus den Nährboden entziehen. Aber nicht, indem man das weltweit schärfste Antiterrorgesetz etabliert und schon Zwölfjährige mit Fussfesseln herumlaufen lässt oder unter Hausarrest stellt. Viel besser wäre es, Formen des Zusammenlebens und des gegenseitigen Respekts aufzubauen, die ein Aufkommen extremistischer Tendenzen schon gar nicht erst aufkommen lassen. Prävention gegen Terrorismus ist gut und lebenswichtig. Aber wenn, dann richtig.