Schweizerische Ausländer- und Flüchtlingspolitik: Nein, die Erde ist keine Kugel, sie ist eine Pyramide…

 

Gemäss Artikel 30 des schweizerischen Ausländergesetzes kann ein Kanton einer ausländischen Person die Aufenthaltsbewilligung erteilen, wenn es um “erhebliche fiskalische Interessen” geht – sprich, wenn die betreffende Person so reich ist, dass ihr Aufenthalt in der Schweiz mit genug erheblichen Steuereinnahmen verbunden ist. Das lassen sich gutbetuchte Ausländerinnen und Ausländer nicht zwei Mal sagen: Total 34 chinesische Staatsangehörige, so berichtet der “Tages-Anzeiger” am 16. Februar 2021, kamen in den vergangenen vier Jahren in die Schweiz. Insgesamt leben zurzeit 352 Ausländerinnen und Ausländer mit einer solchen Sondererlaubnis in der Schweiz. Sie stammen aus China, Russland, Saudi-Arabien, den USA und Brasilien. Um wen es sich dabei handelt, bleibt geheim. Angaben zu den Personen, die von diesem Sonderstatus profitieren, werden von den zuständigen Behörden mit dem Hinweis auf das Steuergeheimnis und den Datenschutz zurückgehalten. Unwillkürlich wandern meine Gedanken zum Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Lesbos, wo rund 8000 Menschen in notdürftigen Behausungen leben. Das neue Lager, so berichtet die Entwicklungsorganisation Oxfam, sei noch schlimmer, als das abgebrannte Lager von Moria gewesen sei. Manche der Zelte seien nur 20 Meter vom Meer entfernt und böten keinen Schutz vor starkem Wind und Regen. Es fehle an Heizungen. Essen gebe es meist nur einmal am Tag und sei zudem von schlechter Qualität. Auch gäbe es kaum sanitäre Anlagen mit fliessendem Wasser, so dass viele Lagerbewohner sich im Meer waschen müssten. Ausserdem fehle es an einem Abwassersystem. Aufgerüttelt von diesen unmenschlichen Verhältnissen, haben sich inzwischen mehrere Schweizer Städte bereiterklärt, eine gewisse Anzahl von Flüchtlingen von der Insel Lesbos aufzunehmen. Doch sie erhielten von der Justizministerin Karin Keller-Sutter die Antwort, dass es hierfür “keine rechtliche Grundlage” gäbe und das Asylwesen Sache des Bundes sei. Dass die Erde keine Scheibe ist, auf der sich die Menschen aller Länder auf Augenhöhe begegnen, wissen wir schon längst. Sie ist aber auch keine Kugel. Sie ist eine Pyramide, an deren oberstem Ende die Reichen und Reichsten sitzen, und auf deren Stufen gegen unten die Menschen immer ärmer und ärmer werden. Während den Reichen und Reichsten aller Länder weltweit alle Türen offenstehen und sie sich völlig “legal” von Land zu Land, von Luxushotel zu Luxushotel, von Kreuzfahrtschiff zu Kreuzfahrtschiff bewegen können, endet die Reise der Armen und Ärmsten auf der Flucht vor Hunger, Krieg und Verfolgung an Stacheldrahtzäunen, meterhohen Betonmauern und an einem schweizerischen Gesetzbuch. Einem Gesetzbuch, das gleichzeitig Reichen und Reichsten aus aller Welt Unterschlupf gewährt, ganz unabhängig davon, auf was für “legalen” oder “illegalen” Wegen sie ihren Reichtum erworben haben. In solchen Momenten fehlen einem dann plötzlich einfach die Worte…