«Naked Survival»: Der Einschaltquote zuliebe das Leben aufs Spiel setzen

In der Serie «Naked Survival», ausgestrahlt vom privaten TV-Sender «5+», werden jeweils ein Mann und eine Frau nackt an einem verlassenen Ort (z. B. Urwald) irgendwo auf der Welt ausgesetzt. Um 21 Tage lang zu überleben, müssen sie mit den Mitteln der Natur Trinkwasser und Nahrung besorgen sowie einen Unterschlupf bauen und Feuer machen. Am letzten Tag müssen sie mehrere Kilometer zu einem Abholpunkt marschieren. Beide Teilnehmer bekommen eine Umhängetasche mit einer groben Karte und einem persönlichen, hilfreichen Gegenstand. Außerdem haben sie ein drahtloses Mikrofon als Halskette und ein Handfunkgerät, um im Notfall die in Reichweite befindlichen Produzenten zu kontaktieren. Die Strapazen sind unbeschreiblich, von Schnittwunden am Körper und an den Füssen über brennende Hautauschläge am ganzen Körper bis hin zu Erfrierungen, wenn die Temperatur zur Regenzeit von einem Tag auf den andern von über 30 auf vier bis fünf Grad fällt. Nicht zu reden von der beständigen Angst vor giftigen Tieren und dem zermürbenden Hunger, wenn über Tage nichts zu essen gefunden wird – die meisten Teilnehmer und Teilnehmerinnen nehmen denn auch im Verlaufe der 21 Tage, wenn sie es überhaupt durchhalten, bis zu zehn Kilogramm ab. Nicht selten muss das Experiment abgebrochen werden, meist aus medizinischen Gründen, wegen Erschöpfung oder akuten Erkrankungen. Vereinzelt zwingt auch das Wetter zum Abbruch.

Verrückter geht es wohl kaum mehr. Und doch wird sich wohl über kurz oder lang ein anderer privater TV-Sender noch etwas Verrückteres einfallen lassen. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis «Naked Survival» oder ähnliche Formate ein erstes Todesopfer zu beklagen haben. Und dies nur wegen der Einschaltquote, befinden sich doch die privaten TV-Sender in einem permanenten gegenseitig Konkurrenz- und Verdrängungskampf, und wie anders soll man das Publikum anlocken wenn nicht durch immer extreme Sensationen. Das ist Kapitalismus pur. Es geht nicht mehr darum, gut zu sein. Es geht darum, besser zu sein als andere – und zwar nicht besser durch eine höhere Qualität, sondern besser dadurch, dass man ein möglichst zahlreiches Publikum anzulocken vermag.

In einer nichtkapitalistischen Wirtschaftsordnung gibt es keine privaten TV-Sender. Jedes Land verfügt über mehrere rechtlich-öffentliche Sender, die sich nicht konkurrenzieren, indem sie sich gegenseitig immer ähnlicher werden, sondern die sich im Gegenteil gegenseitig ergänzen, indem sie möglichst verschieden sind und ein möglichst unterschiedliches Publikum ansprechen – wie dies beispielsweise in der Schweiz mit den Sendern SRF1, SRF2 und SRFinfo der Fall ist und in Deutschland mit der ARD und dem ZDF.