Moderne Maschinenstürmer

Sie sollen die Sicherheit für Passagiere erhöhen, für mehr Effizienz im Verkehr sorgen und den Fahrausweis obsolet machen: So werden die Vorteile von autonomen Autos propagiert… In Chandler, einem Vorort von Phoenix, testet die Google-Schwester Waymo selbstfahrende Fahrzeuge. Und bekommt es mit dem Hass der Anwohner zu tun. Rund zwei Dutzend dieser Fahrzeuge wurden bereits Ziel von Vandalismus: Ein Mann schlitzte die Reifen auf, als das Auto an einer Kreuzung hielt. Andere bewarfen die Wagen mit Steinen oder bedrohten die Fahrer, die für den Notfall in den Autos sitzen, mit Rohren und in einem Fall sogar mit einer Pistole… In der Bevölkerung, so eine Waymo-Sprecherin, gebe es Sicherheitsbedenken und Ängste, dass Jobs durch neue Technologien verloren gehen könnten. «Die Menschen schlagen zu Recht um sich», sagt Douglas Rushkoff, Medientheoretiker an der City University in New York. Die Befürchtung wachse, dass riesige Unternehmen, die an fahrerlosen Technologien tüftelten, «nicht unser Bestes wollen». Man müsse nur an die Menschen denken, die in den Fahrzeugen die künstliche Intelligenz trainierten, von der sie am Ende ersetzt würden.

(Tages-Anzeiger, 4. Januar 2019)

Man mag die Methoden der modernen «Maschinenstürmer» verurteilen. Doch das täuscht nicht darüber hinweg, dass ihre Wut ganz reale Ursachen hat, genau so wie bei den Arbeitern des 19. Jahrhunderts, die, aus Angst ihre Arbeit zu verlieren, die Maschinen in den Fabriken mutwillig zerstörten. Das zutiefst Tragische ist, dass es zur gegenwärtigen technologischen Entwicklung keine Alternativen gibt. Niemand wird gefragt, ob künstliche Intelligenz, kassenlose Supermärkte oder selbstfahrende Autos überhaupt erwünscht sind. Die Demokratie ist in den wesentlichen Fragen  unseres täglichen Lebens vollständig ausgehebelt worden. Selbst in der Schweiz, dem Musterland der Demokratie, kann man zwar darüber abstimmen, ob mehr Geld in die AHV-Kasse fliessen soll, man kann aber nicht darüber abstimmen, ob personengesteuerte Autos nach und nach durch selbstfahrende Autos ersetzt werden sollen oder nicht. Es bleibt daher, wie das Beispiel von Chandler zeigt, nur die blanke Wut. Diese blanke Wut ist es auch, die zur Wahl von Donald Trump als US-Präsident geführt hat, die Wut über schlechte Lebensverhältnisse und düstere Zukunftsaussichten, die sich dann eben völlig unkontrolliert auf die eine oder andere Weise, bis hin zu Rassismus und Gewalt, äussert. Dies wird so lange der Fall sein, als es nicht eine breite politische Bewegung gegen die Weiterführung des kapitalistischen Wirtschaftssystems gibt, welche all die Wut und Frustration der Enttäuschten, Verarmten, Gedemüdigten in konstruktive Bahnen lenken kann zum Aufbau einer neuen, nicht mehr am kurzfristigen Profit, sondern am langfristigen Wohl der Menschen orientierten Wirtschaftsordnung.