Wieder einmal zeichnet sich der “Historiker” Markus Somm in seiner Kolumne der “Sonntagszeitung” vom 5. Mai 2024 durch besondere Originalität aus. Unter dem Titel “Wie der 1. Mai zu einem Nazi-Tag verkam”, beglückt er die Leserschaft mit seinen Beobachtungen der diesjährigen 1. Mai-Feier in Wien.
Für Markus Somm sind „alte Linke“, die an der Wiener 1. Mai-Feier teilnahmen, „ahnungslos“, „mitleiderregend“, „die letzten Mohikaner“ und „Strukturkonservative, die sich im Jahrhundert verirrt haben“. Damit nicht genug: „Fünf Männer“, so Somm, „sind für etwa 100 Millionen Tote verantwortlich“. Mit diesen fünf Männern meint Somm Marx, Engels, Lenin, Stalin und Mao. Grösseren historischen Blödsinn habe ich noch selten gelesen. Wollte man Marx und Engels, welche nichts anderes waren als überaus kluge und scharfsinnige Wirtschaftsanalytiker ihrer Zeit, für den Tod von 100 Millionen Menschen verantwortlich machen, dann müsste man konsequenterweise auch Jesus, auf den sich Hernando Cortez und Francisco Pizarro bei der Auslöschung der amerikanischen Urbevölkerung beriefen und mit dem sich Adolf Hitler in seiner Autobiografie verglich, für den Tod vieler Millionen Menschen verantwortlich machen.
Statt einer dermassen stossenden Geschichtsverfälschung hätte Markus Somm seine Kolumne gescheiter dafür verwendet, darauf hinzuweisen, wie aktuell die Gesellschaftsanalysen von Marx und Engels gerade in Anbetracht der heutigen globalen kapitalistischen Macht- und Ausbeutungsverhältnisse immer noch sind. Wenn sich jemand im Jahrhundert verirrt hat, dann wohl Markus Somm selber am meisten. Unwillkürlich stellt sich die Frage, ob man einem “Historiker”, der regelmässig solchen Unsinn verbreitet, statt über historische Zusammenhänge sachlich und umfassend aufzuklären, nicht früher oder später den Titel als “Historiker” aberkennen müsste.