Lüzerath: Nicht das Ende, sondern der Anfang von etwas viel Grösserem, das noch kommen wird…

 

“Wie ist es im Jahre 2023 möglich, dass wir uns noch immer auf dem Weg befinden, der ins Nichts führt?”, rief Greta Thunberg den Demonstrantinnen und Demonstranten zu, die tagelang massiver Polizeigewalt getrotzt haben, um gegen den geplanten Abbau von Braunkohle in der Gegend von Lüzerath anzukämpfen. Doch könnte das mediale Scheinwerferlicht, das in diesen Tagen auf den Ereignissen von Lüzerath gelegen hat, leicht davon ablenken, dass der “Weg, der ins Nichts führt”, ganz und gar nicht bloss gerade an diesem einzigen Ort der Welt geschieht.

Hier und heute, an diesem 15. Januar 2023, sind erneut rund 150 Tier- und Pflanzenarten für immer ausgestorben. Nicht weil es sich dabei um ein unausweichliches Naturgesetz handelt, sondern weil multinationale Konzerne, getrieben von Profitmaximierung und Wachstumssucht, auch noch die letzten Tropenwälder vernichten, halbe Weltmeere leerfischen und mit immer aggressiveren Methoden das Äusserste aus der Erde herauspressen. Hier und heute, an diesem 15. Januar 2023, sind wieder unzählige Frachtflugzeuge und Containerschiffe weltweit unterwegs, um endlos wachsende Mengen von Gütern aller Art zwischen den Kontinenten hin- und herzuschieben, in so grosser Zahl, dass immer mehr davon, kaum in den reichen Ländern angekommen, auch schon wieder im Müll landet. Hier und heute, an diesem 15. Januar 2023, sind wieder Hunderte von russischen und ukrainischen Soldaten ums Leben gekommen in einem Krieg, in dem es, wovon man selten spricht, auch ganz stark um wirtschaftliche Interessen geht, befindet sich doch in der Ostukraine eines der grössten Lithiumvorkommen Europas und stehen für mehrere US-Grosskonzerne, die sich bereits 17 Millionen Hektar ukrainisches Agrarland unter den Nagel gerissen haben, äusserst handfeste Interessen auf dem Spiel. Heute, an diesem 15. Januar 2023, werden nahezu 15’000 Kinder unter fünf Jahren weltweit gestorben sein, weil sie nicht genug zu essen haben, nicht weil insgesamt auf der Erde zu wenig Nahrungsmittel vorhanden wären, sondern weil sie dermassen ungerecht verteilt sind und die Güter nicht dorthin fliessen, wo sie am dringendsten gebraucht werden, sondern dorthin, wo sich mit ihrem Verkauf am meisten Geld verdienen lässt. Und das ist nur eine ganz kleine Auswahl dessen, was kapitalistische Wirtschaftsinteressen an jedem einzelnen Tag an Leiden und Zerstörungen weltweit anrichten.

Es sei denn, die Bewegung von Lüzerath, deren Zeuginnen und Zeugen wir in diesen Tagen geworden sind, weite sich aus zu einer weltweiten Bewegung für den Aufbau einer neuen, nichtkapitalistischen Wirtschaftsordnung, in der nicht mehr die Interessen des Kapitals und seiner Selbstvermehrung an oberster Stelle stehen, sondern die Interessen der Menschen, der Natur und aller zukünftiger Generationen. Dass die traditionellen politischen Parteien, selbst die einst so idealistisch angetretenen Grünen, nichts anderes sind als Gefangene des kapitalistischen Machtsystems, haben wir nun zur Genüge erfahren. Da ist nichts mehr zu erwarten. Antikapitalistische politische Arbeit muss sich, wenn sie tatsächlich etwas bewirken will, über nationale Grenzen hinaus organisieren. So wie der Kapitalismus international organisiert und vernetzt ist, so muss auch eine politische Bewegung, die ihn überwinden will, international vernetzt sein, alles andere ist reine Symptombekämpfung. Es geht nicht nur um Braunkohle. Es geht auch nicht nur um den Klimawandel. Es geht um die Zukunft als Ganzes und das gute Leben für alle, heute, morgen und übermorgen. Damit diese Tage bei Lüzerath nicht das Ende gewesen sind, sondern erst der Anfang von etwas viel Grösserem, das noch kommen wird…