Kriminell ist das System als Ganzes

Seit zwei Wochen muss sich Exxon Mobile vor dem New Yorker Supreme Court verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem achtgrössten Unternehmen der Welt vor, Bilanzen geschönt und Investoren massiv getäuscht zu haben. Der Ölriese soll ein langjähriges betrügerisches System aufgebaut haben, um die wahren Kosten der Klimaschutzbestimmungen zu verbergen. Das alles, um den Aktienkurs zu treiben und Anleger bei Laune zu halten. Denn es herrscht die Gier nach kurzfristigen Gewinnen. «Was in fünf oder zehn Jahren passiert», so Stewart Glickman von CFRA Research, «ist den meisten Anlegern egal. Viel eher wollen sie wissen: Welche Rendite springt nächstes Jahr für mich heraus?»

(NZZ am Sonntag, 3. November 2019)

Was einmal mehr zeigt, dass Rohstoff-, Finanz- und Energiekonzerne schleunigste verstaatlicht werden müssten. Nicht der kurzfristige materielle Gewinn privater Anleger, sondern das Gemeinwohl, die sozialen Bedürfnisse der Gesellschaft und ein möglichst schonungsvoller Umgang mit den natürlichen Lebensgrundlagen müssten die entscheidenden Faktoren für wirtschaftliche Aktivität jeder Art sein. Bloss die eine oder andere Firma an den Pranger zu stellen, greift zu kurz. Kriminell ist nicht diese oder jene Firma, dieser oder jener Manager. Kriminell ist das System als Ganzes. Auch die Konzernverantwortlichen sind Getriebene des gleichen goldenen Käfigs, in dem wir alle sitzen, angestachelt von all denen, die Geld in eine Firma stecken in der Erwartung, daraus einen stets wachsenden Profit zu schlagen. Es genügt nicht, nur die Manager und Verwaltungsräte auszuwechseln. Auswechseln müsste man das ganze System der nimmersatten kapitalistischen Profitvermehrung.