Krasse Misstände bei der Migros-Tochter Saviva – und doch alles andere als ein Einzelfall

 

Wie die TV-Sendung “Kassensturz” des Schweizer Fernsehens vom 1. Dezember 2020 berichtet, herrschen bei der Migros-Tochter Saviva krasse Missstände. Saviva ist ein Transportunternehmen und beliefert im Auftrag der Migros Restaurants, Spitäler und Altersheime mit Lebensmitteln. Die  Chauffeure der Saviva klagen über haarsträubende Arbeitsbedingungen: Sie sind bis zu 13 Stunden unterwegs, meist in der Nacht und fast immer ohne Pause. Um dennoch die gesetzlichen Vorschriften einzuhalten, deklarieren sie die Zeit, die sie fürs Aus- und Aufladen benötigen, als Pausenzeit. Wie wenn das alles nicht schon genug wäre, wurden anfangs 2020 die Nachtzuschläge gestrichen und die Spesen gekürzt, so dass sich der monatliche Lohn um nicht weniger als 1000 Franken reduzierte. Ein Vertreter der Gewerkschaft Unia bezeichnet das Ganze im Gespräch mit dem “Kassensturz” als “Missmanagement”. Dann bricht die Reportage ab. Aber eigentlich müsste sie doch jetzt erst so richtig anfangen. Denn die Firma Saviva ist ja nicht irgendein exotischer Einzelfall. Saviva steht stellvertretend für unzählige andere, kleinere und grössere Firmen, von der Reinigungsbranche über die Hotellerie bis zum Bau- und Gesundheitswesen, wo die arbeitenden Menschen unter einem stetig wachsenden Druck stehen, unter sich laufend verschlechternden Bedingungen immer grössere Leistungen zu erbringen. Und weshalb? Nicht weil alle diese Firmen schlecht geführt werden und auch nicht, weil die Firmenbesitzer, die Manager und die Chefs so schlechte Menschen wären. Sondern, ganz einfach: Weil wir im Kapitalismus leben, einem Wirtschaftssystem, das auf Wettbewerb und gegenseitigem Konkurrenzdruck beruht und, wie in einem Wettrennen, die arbeitenden Menschen dazu zwingt, immer noch schneller und besser zu arbeiten als die anderen – um im gegenseitigen Wettkampf nicht unterzugehen. Wenn, um auf den Bericht des “Kassensturz” zurückzukommen, die Firma Saviva nicht das Letzte aus ihren Angestellten herauspresst, dann wird ihre Kundschaft keinen Moment zögern, ihre Aufträge dem nächstbesten Konkurrenten von Saviva, der noch billiger und noch schneller liefert, zuzuschanzen. Das Ganze gleicht einer riesigen Maschine, die sich immer schneller dreht und in der jeder nur darauf wartet, dass dem anderen der Schnauf ausgeht, bevor er ihm selber ausgeht. Eine Maschine, in der jeder Einzelne nur ein winziges Rädchen ist, das, wenn es aussteigen oder sich etwas langsamer bewegen möchte oder ganz einfach die ganze Belastung nicht mehr aushält, sogleich durch ein anderes Rädchen ersetzt wird, nur damit die ganze Maschine auch keinen einzigen Augenblick stillsteht. Die Lösung kann nicht darin bestehen, einzelne Rädchen auszuwechseln. Sie kann nur darin bestehen, eine von Grund auf neue Maschine zu bauen, die nicht mehr auf gegenseitiger Ausbeutung, endlosem Wachstum und nicht enden wollender Profitmaximierung beruht, sondern auf Gerechtigkeit, Lebensqualität und Fairness gegenüber jeglicher beruflicher Tätigkeit, kurz: einem “guten Leben” für alle. Ob in einer der nächsten “Kassensturz”-Sendungen davon etwas zu hören sein wird? Schön wäre es…