Kooperation statt gegenseitiger Konkurrenzkampf

Man wird häufig unterbrochen, erhält widersprüchliche Anweisungen, muss parallel an zu viele Dinge denken oder steht ständig unter Zeitdruck: Wer dies an seinem Arbeitsplatz erlebt, steht unter Stress. Gemäss der Schweizerischen Gesundheitsbefragung traf dies im Jahr 2017 auf 21 Prozent der Erwerbstätigen zu. Das sind drei Prozent mehr als noch im Jahr 2012. Mit 25 Prozent signifikant mehr Stress als der Durchschnitt erleben Verkäufer, Köche, Friseure, Kosmetiker und Angestellte in ähnlichen Berufen, wie das Bundesamt für Statistik gestern auf Anfrage mitteilte. Überdurchschnittlich viel Stress (22,8) erleben auch Führungskräfte oder Hilfsarbeiter (22,3 Prozent).

«Der zunehmende Stress in der Arbeitswelt wird mehr und mehr zu einem Gesundheitsrisiko für die Arbeitnehmenden und produziert hohe volkswirtschaftliche Kosten», schreibt die Gewerkschaft Travailsuisse. Mehr als die Hälfte der Frauen und Männer fühlt sich meistens oder immer unter Zeitdruck. Rund jeder siebte Angestellte bangt ständig um den Arbeitsplatz. Ausländer und Personen mit tiefem Bildungsniveau haben am meisten Angst vor einem Jobverlust. Emotional erschöpft fühlen sich 20 Prozent der Erwerbstätigen.

(www.tagblatt.ch)

 

Eigentlich wussten wir es schon lange und doch sind wir jedes Mal wieder von Neuem überrascht. Der Druck und der Stress am Arbeitsplatz, verbunden mit der Angst, den Job zu verlieren, nehmen von Jahr zu Jahr zu und treiben immer mehr Menschen in Krankheit und Erschöpfung. Doch das ist kein Zufall, auch nicht irgendein Naturgesetz, sondern die ganz direkte und logische Folge des kapitalistischen Wirtschaftssystems und der kapitalistischen Arbeitswelt. Ihr höchstes Dogma, das Gesetz aller Gesetze, ist das Konkurrenzprinzip: Da jede Firma mit allen Mitteln bestrebt ist, möglichst viel Absatz und Kundschaft zu haben und einen wenn möglich von Jahr zu Jahr wachsenden Gewinn, zwingt sie damit alle anderen Firmen der gleichen Branche, noch grössere Anstrengungen zu unternehmen, um im gegenseitigen Konkurrenzkampf nicht den Kürzeren zu ziehen. Naturgemäss geht dieser gegenseitige Vernichtungskampf immer mehr an die gerade noch mögliche Belastbarkeit der Menschen und nur allzu oft sogar weit darüber hinaus. Es ist das gleiche Prinzip wie bei einem Skirennen, bei dem die Fahrerinnen und Fahrer im gegenseitigen Wettkampf um Tausendstelsekunden immer mehr an ihre körperlichen Grenzen gelangen und immer höhere gesundheitliche Risiken auf sich nehmen. Oder wie in der Schule, beim Wettkampf um gute Noten, unter dem vor allem jene Kinder unsäglich leiden, die es trotz grösster Anstrengung nie auf einen grünen Zweig bringen. Längerfristig verursacht das kapitalistische Konkurrenzprinzip immer verheerendere körperliche und seelische Leiden. Längst fällig wäre ein radikales Umdenken, so dass nicht mehr die gegenseitige Konkurrenzierung und der gegenseitige Wettkampf die Basis der Gesellschaft, der Arbeitswelt und der Wirtschaft wäre, sondern die gegenseitige Kooperation, die gegenseitige Fürsorge und das Gemeinwohl.