Konzernverantwortungsinitiative: Kein Sonntagsspaziergang, aber umso dringender nötig…

 

Die heutige “NZZ am Sonntag” vom 8. November 2020 versucht am Beispiel einer Zementfabrik des Schweizer Konzerns Holcim im Libanon aufzuzeigen, dass sich die Konzernverantwortungsinitiative gar nicht so umsetzen liesse, wie die Initianten und Initiantinnen sich dies vorstellten. Zwar wird eingeräumt, dass die Menschen, welche in der Nähe der Zementfabrik und der Steinbrüche leben, überdurchschnittlich häufig von Atemwegserkrankungen betroffen seien und die Rate der Krebserkrankungen weit über jener der Durchschnittsbevölkerung liege. Schuld seien die Emissionen der Fabriken, der Feinstaub aus den Steinbrüchen und die fossilen Brennstoffe, die zur Betreibung der Generatoren verbrannt werden. Eigentlich ein Paradebeispiel dafür, dass die Konzernverantwortungsinitiative dringend nötig ist, hat doch die heutige gesetzliche Grundlage offensichtlich nicht genügt, um solche Missstände in den Griff zu bekommen. Doch erstaunlicherweise gelangt die “NZZ am Sonntag” genau zum gegenteiligen Schluss: “Der Fall Holcim Liban zeigt das ganze Dilemma der Initiative. Ein Schweizer Gericht müsste ein mögliches Fehlverhalten einer Firma in einem anderen Land beurteilen, in dem erstens korrupte Politiker an der Macht sind, zweitens Normen gelten, die zwar internationale Vorgaben missachten, aber dennoch geltendes Landesrecht sind, drittens die eigene Bevölkerung Gesetze umgeht, und viertens seriöse Messungen fehlen oder nicht zugänglich sind.” Eine Argumentation, die nun tatsächlich schon fast ans Absurde grenzt. Damit könnte man auch hierzulande alle möglichen Strafverfahren schon zum Vornherein aufs Eis legen, nur weil früher oder später ein angesehener Politiker betroffen sein könnte, weil wichtige Daten fehlen oder weil jemand behauptet, er würde sich grundsätzlich nicht an international vereinbarte Menschenrechte halten. Man könnte auch jegliche juristische Massnahmen gegen die sizilianische Mafia von heute auf morgen abblasen, weil da möglicherweise eine Verbindung zu irgendwelchen Lokal- oder Regionalpolitikern auffliegen könnte. Und man müsste auch nicht mehr gegen den internationalen Drogenhandel, gegen die sexuelle Ausbeutung von Frauen oder gegen die Machenschaften von Schlepperorganisationen vorgehen, weil sich die alle auf eigene Gesetze berufen würden, welche nicht den internationalen Normen entsprechen. Obwohl das offensichtlich nicht in ihrer Absicht lag: Bessere Argumente für die Konzernverantwortungsinitiative als in ihrem Bericht über das Zementunternehmen der Holcim im Libanon hätte die “NZZ am Sonntag” wohl kaum veröffentlichen können. Denn eines ist sicher: Wenn die Initiative abgelehnt wird, dann werden sich zahllose korrupte Politiker ins Fäustchen lachen, wichtige Daten werden weiterhin unter dem Tisch bleiben und viele der Menschen, die in der Nähe der libanesischen Zementfabriken und Steinbrüche leben, werden weiterhin frühzeitig infolge einer Krebserkrankung sterben…