Klimastreiks: Auf dem Weg in eine neue Zukunft

 

Nach und nach füllt sich an diesem Freitagnachmittag, den 25. September 2020, der Helvetiaplatz in Bern. Bis zuletzt werden es über 2000 Menschen sein, die sich hier versammelt haben, um sich anschliessend quer durch die Innenstadt bis zum Waisenhausplatz zu bewegen, wo die heutige Demonstration enden wird. Gleichzeitig finden in Deutschland an rund 450 Orten Klimastreiks mit einer Beteiligung von insgesamt über 200’000 Menschen statt. Ich bin beeindruckt. Von der Professionalität, mit der die Berner Demonstration innerhalb von nur zwei Tagen organisiert worden ist. Von der Leidenschaft und der rhetorischen Brillanz sämtlicher Rednerinnen und Redner, viele von ihnen keine zwanzig Jahre alt. Von der Sachlichkeit und Wissenschaftsorientiertheit, an der, allen Anfeindungen und Spekulationen zum Trotz, unerschütterlich festgehalten wird. Von der Ernsthaftigkeit, mit der die Sorge um das Überleben der Menschheit sämtlichen anderen Themen übergeordnet wird. Von der Betroffenheit der Zuhörerinnen und Zuhörer, die den zahllosen Reden und Statements so gebannt und aufmerksam lauschen, dass man auf dem grossen, weiten Platz tatsächlich eine Stecknadel zu Boden fallen hören müsste. Und unwillkürlich sehe ich jene Bilder vor mir, die man jeweils im Fernsehen bei den Übertragungen aus dem Bundeshaus zu sehen bekommt. Dort, wo gerade ein CO2-Gesetz verabschiedet worden ist, das zuvor wohl an die zwei Jahre geradezu lustlos zwischen den Parlamentskammern, den Kommissionen und den verschiedenen Interessenverbänden hin- und hergeschoben wurde und nun keinen Teil jener Massnahmen erfüllt, die ergriffen werden müssten, um die Klimaerwärmung tatsächlich wirksam zu stoppen. Dort, wo, zumindest bei der Mehrheit der Parlamentarier und Parlamentarierinnen, nur wenig Leidenschaft für das gemeinsame Überleben der Menschheit wahrzunehmen ist, sondern man sich lieber im gegenseitigen Hickhack zwischen den Parteien die Köpfe einschlägt. Dort, wo man einander in der Regel nicht zuhört, sondern, während die einen sprechen, die anderen in der Zeitung blättern, auf ihrem Smartphone herumtippen oder mit der Sitznachbarin schwatzen. Als wären es zwei Welten. Die Welt drinnen, im Parlamentsgebäude. Und die Welt draussen, auf der Strasse und auf den Plätzen. Drinnen, da ist man immer noch den alten, fast 200 Jahre alten Gepflogenheiten des Politisierens und der Machtspiele verhaftet, den ewig gleichen Mustern endlosen Schmiedens von Kompromissen, bis auch die letzten Visionen und Träume zu Sand zerrieben sind. Draussen, da hat sich eine neue Generation auf den Weg gemacht, voller Ungeduld und voller Mut, und nicht mehr bereit, sich ihre Träume und Visionen kaputt machen zu lassen. Grösser könnte der Gegensatz nicht sein: Die drinnen leben immer noch in der Vergangenheit, als wäre die Welt in den letzten 200 Jahren stillgestanden. Die draussen leben in der Zukunft und es gibt nichts dazwischen. Was hätten jene, die noch in der Vergangenheit leben, von denen lernen können, die schon in der Zukunft angekommen sind! Hätte es einen idealeren Ort geben können als den Bundesplatz, wo Jung und Alt, wie dereinst auf dem Forum des antiken Athen, miteinander hätten ins Gespräch kommen können? Aber offensichtlich war die Zeit dafür noch nicht reif. Diejenigen, die noch in der Vergangenheit leben, wurden auf dem falschen Fuss erwischt. Und sie haben die “Störefriede” fortgejagt, statt die riesige Chance zu nutzen, von ihnen zu lernen und die riesige Herausforderung des gemeinsamen Überlebens gemeinsam anzupacken. Und doch: Der vermeintliche “Misserfolg” der Klimaaktivisten und Klimaaktivistinnen wird früher oder später zum Erfolg. Weil sie es sich zugetraut haben. Weil ihr Mut und ihre gleichzeitige Gelassenheit und Gewaltlosigkeit vorbildhaft sind. Weil sie sich gewagt haben, in der Gegenwart schon etwas zu verwirklichen, was in der Zukunft ganz selbstverständlich sind wird…