Kapitalistische Logik: Lohnerhöhungen gefährden ökonomisches Gleichgewicht

 

“Wenn Lohnerhöhungen gefährlich werden können” – so der Titel eines am 3. November 2021 auf dem Internetportal von SRF veröffentlichten Artikels. Schon denke ich an überrissene Managerlöhne, die innerhalb eines Jahres um 30 oder 40 Prozent in die Höhe klettern und “gefährliche” Reaktionen von Menschen auslösen könnten, welche sich mit 3000 oder 4000 Franken pro Monat über die Runden schlagen müssen. Doch weit gefehlt. Der SRF-Artikel versucht aufzuzeigen, dass eine “massive Erhöhung” der ganz gewöhnlichen Löhne ganz gewöhnlicher Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für Ökonomen ein “Grund zu Sorge” sein können, dann nämlich, wenn es zu einer “Lohn-Preis-Spirale” komme. Eine solche entstehe dann, wenn Unternehmen zum Beispiel wegen höherer Rohstoff- oder Energiepreise ihre Kosten auf ihre Produkte schlagen. Dies verteure den Konsum und hätte die Forderung nach Lohnerhöhungen zur Folge, was die Unternehmen wiederum dazu zwingen würde, die höheren Lohnkosten auf ihre Produkte abzuwälzen. So drehe sich die Spirale immer weiter und schraube die Inflation in die Höhe. Nun ja, alles soweit logisch. Und gleichzeitig auch völlig absurd. Fast so absurd wie der unerschütterliche Glaube an das Bruttosozialprodukt als Massstab für wirtschaftlichen Erfolg, obwohl jeder Verkehrsunfall, jeder Häuserabbruch und jeder Waldbrand, ja selbst ein Krieg das Bruttosozialprodukt steigert, weil all dies mannigfaltige wirtschaftliche Aktivitäten aller Art zur Folge hat. Oder auch so absurd wie der Glaube an ein immerwährendes Wachstum von Gütern und Dienstleistungen in einer Welt, deren natürliche Ressourcen früher oder später für immer aufgebraucht sein werden, ohne dass auch nur das Geringste davon übrig bleibt. Oder auch so absurd wie das Konkurrenzprinzip, das Menschen, Unternehmen und ganze Volkswirtschaften in einen permanenten gegenseitigen Wettkampf zwingt, aus dem zwangsläufig die einen als Gewinner und alle anderen als Verlierer hervorgehen. Oder auch so absurd wie die Tatsache, dass Reichtum vor allem dort entsteht, wo immer mehr Geld vom einen Ende der Welt zum anderen hin- und hergeschoben wird, und nicht dort, wo die Menschen im Schweisse ihres Angesichts härteste Arbeit verrichten und unter Aufbietung aller ihrer Kräfte dafür sorgen, dass die Menschheit nicht schon längst untergegangen ist. Ja. Der Kapitalismus hat buchstäblich alles auf den Kopf gestellt und das Normale zum Abnormalen gemacht und umgekehrt. Und genau deshalb genügt es auch nicht, das eine oder andere kleine Rädchen auszuwechseln und durch ein anderes zu ersetzen. Nicht die Rädchen müssen ausgewechselt werden, sondern die Maschine als Ganzes. Das System als Ganzes. Denn, wie schon Albert Einstein sagte: “Probleme kann man niemals mit der gleichen Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.”