Ja zum Medienpaket am 13. Februar 2022: Denn die Medien sind die “Lebensversicherung der direkten Demokratie”

 

Ich liebe meine Lokalzeitung. Doch schon ist sie wieder ein paar Seiten dünner geworden. Und ich weiss: Sie kämpft ums Überleben. Seit Jahren schwinden die Einnahmen aus Inseraten, als Folge der sinkenden Anzahl von Abonnentinnen und Abonnenten. Weniger Einnahmen aus Inseraten, weniger Einnahmen von Abonnenten, das zwingt zu Sparmassnahmen: Abbau beim Personal, weniger Ressourcen für aufwendige Recherchen. Die Folge: ein Qualitätsverlust, der sich in einer weiteren Reduktion der Anzahl Abonnentinnen und Abonnenten und demzufolge in noch geringeren Einnahmen aus Inseraten niederschlägt. Ein Teufelskreis. 70 Zeitungen schweizweit haben diesen Kampf in den vergangenen Jahren bereits aufgegeben, die anderen konnten sich knapp über Wasser halten, aber zu was für einem Preis: Unter dem Druck schwindender Werbeeinnahmen müssen laufend Stellen abgebaut werden, bis anhin beispielhafte Korrespondentensetze werden drastisch redimensioniert, zeitaufwendige Recherchen bleiben auf der Strecke, bisher voneinander unabhängige Medienhäuser werden fusioniert und deren Redaktionen zusammengelegt, die traditionelle Vielfalt an Meinungen und Kommentaren unterschiedlicher Blätter weicht zunehmend einem Einheitsbrei, unter dem wachsenden Zeit- und Spardruck verzichten immer mehr Zeitungen auf eigene, unabhängige Publikationen und schreiben sich nicht selten sogar ihre Texte gegenseitig ab. Und dies alles als Folge des verhängnisvollen Grundirrtums, wonach auch die Vermittlung von Informationen, wie jedes kapitalistische Produkt vom Gipfeli über die Zahnpasta bis zum Staubsauger rentieren müsse. Vogel friss oder stirb. Was keinen Gewinn abwirft, hat keine Daseinsberechtigung. Es ist diese unselige Verquickung zweier Dinge, die in den gleichen Topf geworfen werden, im Grunde aber nichts miteinander zu tun haben: auf der einen Seite der Anspruch der Bürgerinnen und Bürger auf umfassende, seriöse Information mit möglichst vielen Hintergrundfakten als Grundlage für eine funktionierende Demokratie, auf der anderen Seite der Anspruch des Kapitals auf seine Selbstvermehrung, koste es, was es wolle. Das geht dann im Extremfall so weit wie bei der Online-Ausgabe von “20Minuten”, wo die redaktionellen Richtlinien vorschreiben, dass es bei einem Artikel nicht so sehr auf den Informationsgehalt ankomme, sondern einzig und allein darauf, wie viele Klicks er generiere. Sehr zum Leidwesen der dort arbeitenden Redaktoren und Journalistinnen, von denen sich einige mittlerweile sogar weigern, ihren Namen unter einen Artikel zu setzen, mit dem sie sich gar nicht identifizieren können und den sie nur deshalb geschrieben haben, um damit möglichst viele Klicks zu erzielen. Die Veränderungen in der Medienlandschaft widerspiegeln einen gesamtgesellschaftlichen Trend und zeigen sich auf besonders drastische Weise beispielsweise auch im Gesundheitswesen, wo ebenfalls zwei Dinge, die nichts miteinander zu tun haben, in den gleichen Topf geworfen werden: der Anspruch der Menschen auf Gesundheit auf der einen Seite und der Anspruch, das Gesundheitssystem solle ein möglichst rentables Geschäft sein, auf der anderen. So wie das Gesundheitswesen, gehören auch die Medien nicht in den Sektor kapitalistischer Gewinnmaximierungslogik, sie gehören, wie die Schule, die Müllabfuhr und die Versorgung mit Wasser und Elektrizität, in den Sektor des Service public – als Grundpfeiler für die Demokratie, die ohne sie nicht existieren kann. 100 Millionen Franken jährlich als Unterstützung aus dem Staatshaushalt an die Medien sind ja gut und recht, werden die Erosion und die Kannibalisierung der Medienlandschaft aber nicht dauerhaft aufhalten können. Es braucht mehr als das. Es braucht einen radikalen Paradigmenwechsel. Denn, wie es die zuständige Bundesrätin Simonetta Sommaruga so treffend auf den Punkt brachte: “Medien sind die Lebensversicherung der direkten Demokratie.” Deshalb sollten wir am 13. Februar zum Gesetz über ein neues Medienpaket nicht nur einmal, sondern doppelt und dreifach ja sagen – im Bewusstsein, dass dies nicht das Ende, sondern nur der Anfang sein kann einer gesamtgesellschaftlichen Debatte darüber, welche Wirtschaftssegmente sinnvollerweise weiterhin der kapitalistischen Gewinnmaximierungslogik unterworfen bleiben und welche von ihr zum Wohle des Ganzen befreit werden sollten.