Im Kampf gegen das Corona-Virus: Wissenschaftliche und populistische Stossrichtung

“Wenn wir die Schulen schliessen, verhindern wir, dass die Kinder schnell immun werden. Wenn aber viele immun werden, wird sich die Krankheit viel langsamer ausbreiten und auch gefährdete Personen würden davon profitieren. Und Kinder werden nicht schwer krank und sterben nie an der Krankheit. Meine Nachfrage beim BAG hat gezeigt, dass die Schulschliessung nicht auf wissenschaftlicher Basis erfolgt ist, sondern nur deshalb, weil die anderen Länder diese auch durchgeführt haben.”

(Pietro Vernazza, Chefarzt für Infektiologie St. Gallen, in: “W&O”, 21. März 2020)

Es scheint zwei Stossrichtungen zu geben, welche die laufenden Massnahmen im Kampf gegen die Ausbereitung des Corona-Virus bestimmen. Die eine Stossrichtung, das ist die Wissenschaft. Die andere, das ist der politische Druck, unter den sich die Regierungen der einzelnen Regionen und der einzelnen Länder gegenseitig setzen, oft zusätzlich angefacht durch populistische Strömungen aus der Bevölkerung, in einem Klima der Angst und Hysterie. Die von Pietro Vernazza in Frage gestellte Schulschliessung ist ein Beispiel dafür. Ein anderes ist die Ausgangssperre: Auch hier stehen sich die wissenschaftliche und die populistische Stossrichtung gegenüber. Vorläufig hat zumindest in der Schweiz die wissenschaftliche Stossrichtung zum Glück obsiegt und eine Ausgangssperre wurde noch nicht beschlossen. Dennoch – Zugeständnis an die populistische Stossrichtung – wurden in Bern die Bundeshausterrasse und in Zürich die Uferpromenade abgesperrt. Was soll das? Muss sich dann die Bevölkerung, die sich noch im Freien aufhält, nicht auf einen noch viel engeren Raum zusammendrängen? Sollte man die öffentlichen Räume nicht möglichst gross halten, um den Menschen die Bewegung an der frischen Luft, nicht zuletzt auch zur Stärkung des Immunsystems, möglichst weitgehend zu erhalten? Man kann nur hoffen, dass die populistische Stossrichtung nicht immer stärker wird und die wissenschaftliche Stossrichtung mehr und mehr überrollt.