Im Alter von acht Jahren veröffentlichte ich meine erste kleine, selbergeschriebene Zeitung. Niemand hatte sie lektoriert. Und das war gut so.

Die kleine Zeitschrift, die ich im Alter von 8 Jahren zu schreiben begann und bis zum 16. Lebensjahr einmal pro Monat herausgab, hiess zunächst „Famo-Cini“ – keine Ahnung, wie ich auf diesen Namen gekommen war. Später benannte ich sie in „Ihr Lesekameraden“ um. Da ich die Hefte bis heute aufbewahrt habe und gelegentlich mal jemandem zeige, ist mir kürzlich aufgefallen, dass ich den Titel im Alter von neun Jahren korrekt schrieb: „Ihr Lesekameraden“. Aus irgendwelchen, mir unerfindlichen Gründen hiess sie dann aber etwa ein halbes Jahr später plötzlich „Ihr Lesekamerate“. Und ein paar weitere Monate später sogar: „Ihr Lessekameratte“ – nicht wie man erwarten könnte, hatte sich in diesem Zeitraum meine Rechtschreibung verbessert, im Gegenteil, sie hatte sich massiv verschlechtert, es waren immer mehr Fehler dazu gekommen.

Es brauchte fast ein weiteres halbes Jahr, bis meine Zeitschrift dann wieder korrekt „Ihr Lesekameraden“ hiess. Seither habe ich das Wort nie mehr „falsch“ geschrieben. Natürliche Lernprozesse brauchen Zeit, aber früher oder später setzt sich das Richtige durch, wie bei den kleinen Kindern, die im Alter von zwei oder drei Jahren ein Wort zuerst tausendmal „falsch“ sagen, bis es dann eines Tages plötzlich richtig ist. So entsteht die Perfektion nach und nach auf natürliche Weise. Die erste Ausgabe meiner Zeitung im Alter von acht Jahren war voller Fehler, in der letzten Ausgabe, die ich im Alter von 16 Jahren schrieb, findet sich kein einziger Fehler mehr. Learning by Doing. Lernen durch Versuch und Irrtum. Niemand hatte jemals meine kleine Zeitschrift lektoriert, im Gegenteil, die meisten Leserinnen und Leser fanden die Fehler geradezu amüsant. Auch heute noch, wenn ich die frühen Ausgaben meiner Zeitschrift lese, sind die „Fehler“ das Lustigste, das, worüber ich am meisten schmunzeln muss – das Salz in der Suppe, die sonst fad und eintönig wäre. Fehler sollte man möglichst lange machen dürfen und nicht so früh wie möglich auszumerzen versuchen. Und schon gar nicht bekämpfen. Und erst recht nicht Kinder dafür bestrafen, wenn sie Fehler machen. Denn, wie ein uraltes afrikanisches Sprichwort sagt: „Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.“

Ich bin fast ganz sicher: Würden wir diese Geduld, diese Gelassenheit und die Zuversicht, dass es am Ende schon gut herauskommt, in genügendem Masse aufbringen, dann würde kein Erwachsener jemals auch nur noch einen einzigen Rechtschreibefehler machen, ebenso wenig, wie er auch beim Sprechen und in der mündlichen Kommunikation irgendwelche „Fehler“ macht, ganz einfach deshalb, weil er genug lange so viele Fehler wie nur möglich machen durfte, um dann eines Tages zur höchsten Perfektion zu gelangen.