Höchste Zeit für einen UNO-Friedensrat und für globale Friedenskonferenzen

 

Wenn ein Ehepaar zerstritten ist, zieht man eine Mediatorin oder einen Mediator bei. Für Unstimmigkeiten zwischen Mieterinnen und Vermietern gibt es spezielle Schlichtungsstellen. Auch für Streitigkeiten zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberorganisationen kann man in vielen Ländern auf hierfür spezialisierte Vermittlungsstellen zurückgreifen. Nur beim Krieg zwischen Russland und der Ukraine, der an Tragweite, Gefährlichkeit und Zerstörungspotenzial alle anderen gegenwärtigen Konflikte um ein Vielfaches in den Schatten stellt, gibt man sich der Illusion hin, die Konfliktparteien könnten das Problem alleine lösen. Dies ist schlicht und einfach unmöglich, haben sich doch beide Seiten mittlerweile dermassen gegenseitig ineinander festgefahren, dass jede Seite befürchtet, auch nur das kleinste Nachgeben ihrerseits würde von der Gegenseite als Schwäche wahrgenommen und schamlos ausgenutzt. Spätestens jetzt erweist sich eine supranationale Organisation zur Konfliktbewältigung und Friedensvermittlung als dringendste, längst fällige Notwendigkeit. Von ihrem Grundsatz her wären das eigentlich die Vereinten Nationen. Diese haben ja im Völkerbund, der nach dem Ersten Weltkrieg mit dem Ziel “Nie wieder Krieg!” gegründet wurde, ihren Ursprung. Heute, hundert Jahre später, zeigt sich, dass die UNO dieser Grundidee offensichtlich nicht mehr im Entferntesten zu genügen vermag. Doch ohne eine starke Hand, die über und zwischen den Konfliktparteien steht, werden sich die Kriegsparteien nur immer weiter in ihr Unheil verrennen. Weshalb wird nicht eiligst ein UNO-Friedensrat einberufen, dem zum Beispiel der UNO-Generalsekretär sowie Vertreterinnen und Vertreter von neutralen Staaten und von Menschenrechtsorganisationen angehören würden? Ein solcher Friedensrat hätte die Aufgabe, den Konfliktparteien jene Kompromisse abzuringen, die notwendig wären, um eine einvernehmliche friedliche Lösung zu ermöglichen, bei der weder die eine noch die andere Seite ihr Gesicht verlieren würde. Ein solcher Friedensrat würde zugleich all jene Millionen Menschen auf beiden Seiten der Frontlinien repräsentieren, die unter diesem Krieg so unsäglich leiden, ohne dass sie jemals irgendwer um ihre Meinung, ihre Ängste oder ihre Hoffnungen gefragt hätte. Und ein solcher Friedensrat könnte ein neuer Anfang, ein neuer Kern einer viel grösseren, umfassenderen Bewegung sein, die wieder an die ursprünglichen Ziele des Völkerbunds anknüpfen würde. Denn das ist unabdingbar: Auch wenn es zwischen Russland und der Ukraine zu einem Friedensschluss kommen sollte, ist das nur eines von zahllosen Mosaiksteinen. Denn es brennt an allen Ecken und Enden. Schon erscheint der nächste höchst gefährliche Konflikt am Horizont: der Machtkampf zwischen China und den USA um Taiwan und um die Vorherrschaft im pazifischen Raum. Damit nicht genug: Auch Hunger, Armut, soziale Ungerechtigkeit, Ausbeutung, Rassismus, Kolonialismus und die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen sind Formen von Krieg und müssten in einer internationalen Friedensordnung ebenso thematisiert werden wie die militärische Aufrüstung und die Gewalt durch Waffen und Armeen. Der internationale Friedensrat und die aus ihm wachsenden globalen Friedenskonferenzen hätten alle Hände voll zu tun. Die Widerstände, die sich ihnen entgegenstellen würden, wären zweifellos immens, umso stärker aber auch die Wirkung, die sie entfalten würden, wenn es ihnen gelänge, Ängste in Vertrauen zu verwandeln, Gewalt in Gewaltlosigkeit, Krieg in Frieden, Hass in Liebe. Alles hängt mit allem zusammen in einer Welt, in der die Menschen noch nie voneinander so abhängig waren und so aufeinander angewiesen wie heute. Und vielleicht waren wir noch nie so nahe an dem Punkt, wo alles in die eine oder die andere Richtung kippen könnte – von der blindwütigen Selbstvernichtung bis zu einer Zukunft in einer globalen Friedensordnung. “Entweder”, sagte der amerikanische Bürgerrechtskämpfer Martin Luther King, “werden wir als Brüder und Schwestern überleben oder als Narren miteinander untergehen.”