Gaza und Ukraine: Wie wir ganz leise, sanft und systematisch manipuliert werden…

Die Schweiz, das „Musterland“ der Demokratie, der Meinungs- und Gedankenfreiheit. In keinem anderen Land der Welt würden die Menschen durch die Medien so ausgewogen und objektiv informiert wie hierzulande, heisst es meist im Brustton tiefster Überzeugung. Doch wir brauchen nur irgendeine beliebige Zeitungsseite aufzuschlagen, um sogleich festzustellen, dass dieses Bild nichts anderes ist als reines Wunschdenken. Die Art und Weise, wie westliche Medien ihr Publikum manipulieren, ist vermutlich sogar noch viel raffinierter als jene plumpen „Holzhammermethoden“, welche in Diktaturen oder rigiden Einparteiensystemen an der Tagesordnung sind. Und deshalb nicht weniger, sondern vielleicht sogar noch gefährlicher. Denn wenn man sich beim Lesen oder Hören einer Nachricht nicht einmal bewusst ist, dass man manipuliert wird, können Lügen viel leichter und schneller zu vermeintlichen „Wahrheiten“ heranwachsen, als wenn man Gelesenem und Gehörtem grundsätzlich misstraut.

Zum Beispiel Seite 7 des „St. Galler Tagblatts“ vom 14. April 2025. Scheinbar „objektiv“ wird auf der gleichen Zeitungsseite sowohl über einen russischen Raketenschlag gegen die ukrainische Stadt Sumy wie auch über einen israelischen Luftangriff gegen Ziele im Gaza-Streifen berichtet. Doch schauen wir uns die beiden Meldungen etwas genauer an…

Zunächst die Länge: Der links abgedruckte Artikel über die Attacke auf Sumy ist ungefähr drei Mal so lang wie der rechts abgedruckte über die Angriffe im Gaza-Streifen. Da beim Lesen unbewusst die Länge eines Artikels mit der Bedeutung der betreffenden Nachricht in Verbindung gebracht wird, bedeutet dies im Klartext: Was in Sumy geschehen ist, muss drei Mal schlimmer gewesen sein als das, was im Gaza-Streifen geschehen ist. Auch alle weiteren Unterschiede in der Gewichtung der beiden Ereignisse unterstreichen diese Aussage, die sich somit der Leserschaft gleich auf mehreren unterschiedlichen Ebenen nachhaltig einprägt.

Zweitens die Visualisierung: Im linken Artikel nimmt das Bild so viel Raum ein wie der gesamte Text des rechten Artikels, in welchem eine Visualisierung in Form eines Bildes sogar gänzlich fehlt. Das Bild über die Attacke auf Sumy zeigt riesige schwarze Rauchschwaden, lichterloh brennende Fahrzeuge, eine völlig zerschossene Häuserfassade, tote und lädierte Baumstämme, herumliegende Gebäudereste, eine mit Trümmern übersäte Strasse und einen einzelnen schwarz gekleideten Mann, der fassungslos daneben steht – selbst all denen, die den zugehörigen Text bloss überfliegen bzw. gar nicht zur Kenntnis nehmen, um rasch weiterzublättern, wird sich ein solches Bild zweifellos tief einprägen, zumal es noch mit der Legende, dass es sich dabei um eine „Zerstörung“ und eine „verheerende“ russische Raketenattacke gehandelt habe, versehen ist. Man kann nur erahnen, was auf einem Bild im rechten Artikel zu sehen gewesen wäre, hätte man die beiden Nachrichten auch nur ein ganz winziges bisschen neutraler und ausgewogener darzustellen versucht.

Drittens die Grösse und der Inhalt der beiden Titel: Der linke Titel ist mit einer mehr als drei Mal so grossen Schrift gedruckt. Zudem weckt er starke Emotionen, wenn von einem „Blutbad“ die Rede ist. Ganz im Gegensatz zum Titel des rechten Artikels, der nicht nur in einer viel kleineren Schrift erscheint, sondern auch völlig „sachlich“ und emotionslos formuliert ist: „Israel greift über 90 Ziele im Gaza-Streifen an“. 90 Ziele, man stelle sich das einmal vor. Das war dann höchstwahrscheinlich nicht bloss ein einziges Blutbad, sondern geradezu ein Meer von Blut!

Viertens der Untertitel. Gleich vierfach – wie wenn einmal nicht genug wäre – wird der Leserin und dem Leser eingehämmert, wie schlimm der russische Angriff gewesen sein muss: Er hat die „kriegsgeplagte“ Stadt Sumy getroffen, es war eine „Attacke“, diese war „verheerend“ und forderte „über 30 Tote“. Der rechte Artikel hingegen weist überhaupt keinen Untertitel auf. Untertitel sind aber in der Wirkung auf die lesende Person von grösster Wichtigkeit. Flüchtig und oberflächlich Lesende verschaffen sich häufig bloss aufgrund von Titel und Untertitel eine Meinung und nehmen den Text selber gar nicht zur Kenntnis. Fehlt, wie im rechten Artikel, ein Untertitel, bleibt bei der lesenden Person nicht einmal ein flüchtiger, sondern überhaupt kein Eindruck zurück.

Fünftens die Zahl der Opfer. Während im linken Artikel präzise die Zahl von 32 Toten genannt wird, fehlt im rechten Artikel jegliche Zahlenangabe. Die Rede ist nur von „90 Zielen“. Die Angriffe hätten sich auf „Waffenlager“, „Terrorzellen“ und „militärische Anlagen“ beschränkt – wobei solche sogenannte „chirurgische“ Angriffe, wie allgemein bekannt ist, stets auch verheerende Auswirkungen haben auf Wohngebiete oder zivile Einrichtungen in ihrem näheren und weiteren Umfeld. Zudem sei die laufende Bodenoffensive im Süden des Gaza-Streifens fortgesetzt worden und zuvor sei noch ein Krankenhauskomplex im Norden des Gaza-Streifens angegriffen worden. Zählt man die Opfer der 90 „Ziele“, der Bodenoffensive sowie der Attacke auf den Krankenhauskomplex zusammen, kommt man selbst bei vorsichtigen Schätzungen auf eine Zahl, die vermutlich die Opfer der russischen Attacke auf Sumy um mindestens das Zehnfache, wenn nicht das Zwanzigfache übertreffen dürfte. Dass dabei so ganz nebenbei auch noch ein Krankenhauskomplex ins Visier des israelischen Bombardements geriet, wird auch nicht mit einem einzigen Wort kritisch kommentiert, obwohl man hierfür objektiverweise wohl noch weitaus drastischere Begriffe verwenden müsste als das im linken Artikel genannte „Blutbad“.

Sechstens die Beschreibung der Opfer. Im linken Artikel werden die Opfer und die an ihnen begangenen Taten detailliert beschrieben, vermutlich, um an das Mitgefühl der lesenden Person zu appellieren und zugleich Hass- und Rachegefühle gegen die Täter zu erzeugen. Unter den 32 Toten seien auch „zwei Kinder“ gewesen, unter den 84 Verletzten „acht Kinder“. Die Menschen seien „am Palmsonntag“, also an einem heiligen Tag, in der Stadt gewesen, als die Raketen eingeschlagen hätten. Die Raketen hätten „Sprengsätze mit Streubomben“ getragen.“ Viele Menschen seien „mitten auf der Strasse, in Autos und öffentlichen Verkehrsmitteln sowie in Häusern“ verletzt worden. Auf Bildern hätte man „leblose Körper auf Strassen“ gesehen. Rettungskräfte hätten Menschen „mit blossen Händen“ getragen. Im rechten Artikel dagegen sucht man vergeblich nach vergleichbaren Details. Kein Hinweis darauf, ob es auch – was höchst wahrscheinlich ist – Opfer unter Kindern gegeben hat. Kein Hinweis darauf, wo und wie die Menschen getötet oder verletzt wurden. Kein Hinweis darauf, was für Waffen eingesetzt wurden. Alles schön emotionslos, „sachlich“, um nur ja nicht gegen die für diese Gewalttaten verantwortlichen israelischen Machthaber ähnliche Hass- oder Rachegefühle aufkommen zu lassen wie gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin, an dem westliche Medien geradezu schon notorisch nie auch nur den kleinsten guten Faden lassen.

Siebtens die Parteinahme. Zwar wird sie nicht offen ausgesprochen, ist aber auf Schritt und Tritt zwischen den Zeilen wahrzunehmen. Der Autor des linken Artikels steht unverkennbar auf der Seite der Ukraine. Der Angriff auf Sumy hätte „international Entsetzen ausgelöst“. Russland habe „eine möglichst hohe Zahl an Zivilpersonen treffen wollen“, der ukrainische Aussenminister hätte von einem „Kriegsverbrechen“ gesprochen, der deutsche Bundeskanzler hätte gesagt, solche Angriffe zeigten, „wie es um die angebliche russische Friedensbereitschaft bestellt“ sei. Und dass es Russland einzig und allein nur darum gehe, „seinen Vernichtungskrieg gegen die Ukraine erbarmungslos fortzusetzen“. Auch Frankreichs Präsident Macron hätte geschrieben, dass „Russland menschlichem Leben keinen Wert beimisst“ und „den Krieg weiterführen will“. Der ukrainische Aussenminister Sybiha hätte gar vom „absoluten Bösen“ gesprochen, und das „an einem wichtigen christlichen Feiertag in einer friedlichen ukrainischen Stadt“. Er und Selenski würden „eine entschlossene Reaktion der internationalen Verbündeten fordern“, denn sonst „würde Russland seinen Terror immer mehr ausweiten“. Sybiha fordere zudem die westlichen Partner auf, „die Ukraine mit zusätzlichen Flugabwehrkapazitäten auszustatten und den Druck auf Moskau zu erhöhen“. Im rechten Artikel über die Angriffe der israelischen Luftwaffe sucht man dergleichen Zuspitzungen vergebens, obwohl diese israelische Militäraktion ohne alle Zweifel weitaus mehr Tote und Verletzte gefordert hatte als der russische Angriff auf Sumy. Kein Wort darüber, dass man das Zerstörungswerk Israels im Gazastreifen, wenn man schon den russischen Angriff auf Sumy als „Kriegsverbrechen“ bezeichnet, konsequenterweise als mindestens so schweres, wenn nicht noch schwereres Kriegsverbrechen bezeichnen müsste. Kein Wort darüber, dass, wenn die Ereignisse von Sumy „internationales Entsetzen ausgelöst“ hätten, dies für die Luftangriffe Israels auf 90 Ziele im Gaza-Streifen mindestens so sehr angebracht gewesen wäre. Kein Wort darüber, dass auch die israelische Regierung „menschlichem Leben“ offenbar „keinen Wert“ beimesse. Kein Wort darüber, dass die israelische Regierung vor wenigen Tagen den zwischen ihr und der Hamas ausgehandelten Waffenstillstand einseitig und ohne Begründung gebrochen hatte. Stattdessen wird nur hervorgehoben, dass die israelische Armee „die Einwohner von Chan Junis im Süden des Küstenstreifens vor einem bevorstehenden Angriff gewarnt“ und sie aufgefordert hätte, „sich zu den Schutzräumen zu begeben“. Auch das Personal des bombardierten Krankenhauskomplexes sei „vorab gewarnt und zur Evakuierung des Gebäudes aufgefordert“ worden. Und „vor der Attacke“ seien „Massnahmen“ ergriffen worden, „um die Schäden möglichst gering zu halten, etwa durch Warnungen und den Einsatz von Präzisionsmunition“. Mit anderen Worten: Alle, die durch die Angriffe Israels getötet oder verletzt worden sind, sind selber Schuld, sie hätten ja den Warnungen seitens des Militärs nur Folge leisten müssen. Was für ein grenzenloser Zynismus! Nicht nur, dass man damit jegliche noch so grenzenlose Brutalität und Missachtung elementarster Menschenrechte rechtfertigen kann – sie sind ja selber Schuld, sie hätten nur auf die Warnungen hören müssen -, sondern auch, weil ja die Evakuierung eines Spitals inmitten eines total verwüsteten Gebiets, indem kaum mehr ein Stein auf dem andern steht, nichts ist als reine Augenwischerei. Wohin sollen die Kranken und Schwerverletzten denn gebracht werden, wo soll man die medizinischen Geräte installieren, mit was für Material und Instrumenten soll das Personal denn arbeiten? Die „Warnungen“ sind doch nichts anderes als ein grenzenlos unverschämter Propagandatrick, um sich allenfalls zu befürchtete internationale Kritik möglichst vom Hals zu schaffen, indem man den Spiess umdreht und die Opfer zu Tätern macht: Selber Schuld, sie hätten ja nur den so gut gemeinten Ratschlägen ihrer potenziellen Mörder Folge leisten müssen. Und der Schweizer Journalist, der diesen Artikel geschrieben hat, spielt das üble Spiel brav und willfährig mit und äussert nicht einen Funken Kritik an einer dermassen perfiden, skrupellosen und aller minimalster Menschlichkeit entbehrenden Kriegsführung.

Achtens die zitierten Personen. Im Artikel über die russische Attacke in Sumy werden mit dem ukrainischen Präsidenten Selenski, dem ukrainischen Kanzleichef Jermak, dem ukrainischen Innenminister Klymenko, dem ukrainischen Aussenminister Sybiha, dem deutschen Bundeskanzler Scholz und dem französischen Präsidenten Macron fast ausschliesslich Personen zitiert, welche völlig einseitig und voreingenommen die Position der Ukraine vertreten. Neben diesen Stimmen werden nur noch jene des Kremlsprechers Peskow und jene von US-Präsident Trump erwähnt, nicht aber im Sinne einer Gegendarstellung. Peskow wird nur im Zusammenhang mit den laufenden Verhandlungen zwischen Russland und den USA zitiert, und von Trump wird nur die Aussage erwähnt, dass sich Russland „bewegen muss“, seien in diesem „schrecklichen und sinnlosen Krieg“ doch bereits „zu viele Menschen gestorben, Tausende pro Woche“. Im Artikel über die israelischen Luftangriffe hingegen wird mit einem israelischen Militärsprecher und anderen Wortführern der israelischen Armee ausschliesslich die israelische Position aufgezeigt, es fehlt gänzlich an Aussagen von Personen bzw. Organisationen, welche dieser Militäraktion oder allgemein der offiziellen israelischen Kriegspolitik kritisch gegenüber stehen oder sie sogar verurteilen. Selbst der Direktor des betroffenen Krankenhauskomplexes wird ausschliesslich mit der Aussage zitiert, das Personal sei „vorab gewarnt und zur Evakuierung des Spitals aufgefordert worden“, kein Wort über das unermessliche Leiden, das den Patientinnen und Patienten des Spitals angetan worden war, kein Zitat vom Internationalen Roten Kreuz, von Amnesty International oder von einer anderen NGO, welche militärische Anschläge auf Spitäler grundsätzlich als Kriegsverbrechen bezeichnen.

Neuntens die Rechtfertigung der Taten. Im Artikel über die Attacke in Sumy finden wir ausschliesslich die Aussage von Selenski, wonach es Russland bei diesem Anschlag nur darum gegangen sei, „eine möglichst hohe Anzahl an Zivilisten zu treffen“. Die Position Russlands, wonach der Angriff einem Treffen ukrainischer Offiziere gegolten habe und die Zivilbevölkerung bloss als „Schutzschild“ missbraucht worden sei, wird nicht erwähnt. Es mag ja legitim sein, diese Behauptung Russlands in Frage zu stellen, jedoch müsste sie im Rahmen einer einigermassen objektiven Berichterstattung zumindest Erwähnung finden. Auch das Zitat des Kreml-Sprechers Peskow, wonach die russische Armee ausschliesslich „militärische und mit dem Militär in Verbindung stehende Ziele angreift“, dürfte bei aller Skepsis gegenüber einer solchen Aussage doch zumindest Erwähnung finden, alles andere kann man nicht anders bezeichnen denn als Zensur und Bevormundung der Leserschaft. Sogar Wolodymyr Artjuch, Gouverneur des Gebiets Sumy, hat gemäss ARD inzwischen bestätigt, in der Stadt habe zur Zeit des russischen Angriffs eine Versammlung hochrangiger Militärs stattgefunden. Artjuch selber distanzierte sich vom Entscheid, dieses Treffen in Sumy abzuhalten. Es sei nicht seine Initiative gewesen, er sei nur eingeladen worden, über den Initiator des Treffens könne er keine Angaben machen, das sei „ein anderes Thema“. Kein Wort davon in der angeblich so neutralen und objektiven Schweizer Tageszeitung. Höchst bezeichnend ist auch, dass die identische Aussage, wonach Zivilpersonen häufig als Schutzschilde gegen militärische Attacken missbraucht würden, die man der russischen Seite offensichtlich nicht abnimmt, von den gleichen westlichen Medien, wenn sie von der israelischen Seite im Zusammenhang mit Angriffen auf die Hamas ins Feld geführt wird, kaum je kritisch hinterfragt wird. Bezeichnenderweise findet man daher im Artikel über die israelische Militäraktion im Gaza-Streifen die Aussage der israelischen Armeeführung, wonach die Luftschläge einer „Kommandozentrale der Hamas innerhalb des Spitals“ gegolten hätten, von der aus „die militant-islamistische Gruppe Anschläge auf israelische Zivilpersonen und Soldaten geplant“ habe. Das identische Argument also, dass der jeweilige Anschlag gar nicht Zivilpersonen, sondern einem militärischen Ziel gedient hätte, wird im Falle von Sumy nicht einmal erwähnt, im Falle der israelischen Luftschläge jedoch kommentarlos übernommen. Einseitiger und tendenziöser geht es nun wirklich nicht mehr.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich, wie das Beispiel des „St. Galler Tagblatts“ vom 14. April 2025 exemplarisch zeigt, die westliche Berichterstattung über zwei der zurzeit brisantesten Konfliktherde, die Ukraine und den Gaza-Streifen, durch alles andere auszeichnet als durch Objektivität und Ausgewogenheit. Im Gegenteil: Die meisten Politiker wie auch die allermeisten Medienschaffenden scheinen schon zum Vornherein auf ihrer Nase eine Brille sitzen zu haben, durch die sie die eine Seite nur in positivem Licht sehen, die andere nur in negativem. In diesem Licht braucht Putin bloss zwei Raketen abzuschiessen und 32 Menschen zu töten und schon ist das ein weiterer Beweis dafür, dass er nichts anderes ist als der Inbegriff des absolut „Bösen“, vergleichbar bestenfalls mit Hitler oder gar dem Teufel. Gleichzeitig kann der israelische Ministerpräsident Netanyahu Zehntausende von Kindern abschlachten und gilt dennoch nach wie vor als der Repräsentant der „einzigen Demokratie im Nahen Osten“. Gemäss Zählungen des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte OHCHR hat der Ukrainekrieg bis jetzt innerhalb von drei Jahren 12’910 zivile Todesopfer gefordert, im Gazastreifen wurden hingegen innerhalb von eineinhalb Jahren bereits über 70’000 Menschen getötet, einigen Schätzungen zufolge schon gegen 100’000, 70 Prozent davon Frauen und Kinder, über 10’000 noch unter den Trümmern verschüttete, noch nicht gefundene Tote nicht einmal mitgezählt. Was im Klartext nichts anderes heisst, als dass im Gaza-Streifen durchschnittlich täglich fast 20 Mal mehr Zivilpersonen getötet werden als in der Ukraine. Doch während auf der einen Seite stets vom russischen „Angriffskrieg“ gegen die Ukraine die Rede ist und die gesamte Vorgeschichte des Konflikts mit der NATO-Osterweiterung und sämtlichen weiteren Provokationen durch den Westen systematisch ausgeblendet wird, spricht man im Zusammenhang mit dem von Israel an den palästinensischen Männern, Frauen und Kindern begangenen Völkermord als einem von Israel rechtmässig in Anspruch genommenen „Recht auf Verteidigung“. Wobei auch der Begriff des „Terrorismus“ stets nur auf nichtstaatliche Rebellen oder Widerstandskämpfer angewendet wird, nie aber auf Staaten wie Israel oder die USA, welche zweifellos für die in ihrem Ausmass mit nichts anderem zu vergleichenden schwersten Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen der jüngeren Geschichte verantwortlich sind – rufe man sich doch nur kurz die über 40 seit 1945 von den USA angezettelten, grösstenteils völkerrechtswidrigen Kriege und Militäraktionen in Erinnerungen, mit insgesamt 50 Millionen Toten und 500 Millionen Verletzten, von Vietnam, Laos, Honduras, El Salvador über Jugoslawien bis zu Afghanistan. Libyen und dem Irak.

Ganz abgesehen davon, dass sich die Zustände in der Ukraine und jene im Gazastreifen ohnehin auch nicht annähernd miteinander vergleichen lassen. Während die Ukraine immer noch über eine weitgehend intakte Infrastruktur, ein funktionierendes Gesundheitswesen, einigermassen sichere Strassenverbindungen verfügt und niemand hungern muss, ist der Gazastreifen, wo inzwischen etwa drei Viertel aller Häuser dem Erdboden gleichgemacht wurden, das gesamte Gesundheitssystem zusammengebrochen ist und Millionen von Menschen vom Hungertod bedroht sind, im Vergleich dazu die wahre Hölle. Aber auch das ist noch nicht genug. Als Folge einer total verzerrten und die Realität geradezu ins Gegenteil verdrehenden Propaganda ist es den westlichen Machthabern gelungen, für die Ukraine zivile und militärische Unterstützung in Milliardenhöhe aufzubringen, inklusive Zusicherungen, nach dem Krieg alles wieder neu aufzubauen. Während auf der anderen Seite sogar die Schweiz als eines der reichsten Länder der Welt die finanzielle Unterstützung für das palästinensische Hilfswerk UNRWA um Haaresbreite gestrichen und damit den Hungertod von Millionen von Menschen bewusst in Kauf genommen hätte. Und US-Präsident Trump unter betretenem Schweigen des gesamten Westens die geradezu an Hybris grenzende Vision kundtat, sämtliche Palästinenserinnen und Palästinenser für immer aus ihrer Heimat zu vertreiben und an deren Stelle eine Riviera mit Strassencafés, Vergnügungslokalen, Spezialitätenrestaurants und Luxushotels für die Reichsten aus aller Welt aufzubauen.

Zufällig findet sich auf der gleichen Seite 7 des „St. Galler Tagblatts“ auch ein Artikel zu den bevorstehenden Atomverhandlungen zwischen den USA und dem Iran. US-Präsident Trump drängt auf ein Abkommen, um den Iran an der Entwicklung von Atomwaffen zu hindern. Die iranische Führung beteuert zwar, die Atomenergie nur für friedliche Zwecke nutzen zu wollen, dennoch hat Trump unlängst mit der Bombardierung des Iran gedroht, sollte es zu keinem Einlenken kommen. Was – wieder werden wir ganz leise und sanft manipuliert – mit keinem Wort erwähnt wird: Dass sich Israel bereits seit 1967 im Besitz von Atomwaffen befindet. Aber das ist halt eben etwas ganz anderes. Israel gehört ja zu den Guten und darf das, der Iran aber gehört zu der sogenannten „Achse des Bösen“, zu welcher der Westen auch Russland zählt, darf das deshalb eben nicht und müsste sogar damit rechnen, zur Strafe dafür dem Erdboden gleich gemacht zu werden. Vielleicht ja sogar noch mithilfe Israels. Man stelle sich mal das Gegenteil vor: Putin würde Israel auffordern, seine Atomwaffen zu verschrotten, andernfalls würde er erwägen, das Land in Schutt und Asche zu legen…

Muss der Westen seine Lügengebäude wohl deshalb mit allen Mitteln dermassen weit in die Höhe bauen und dermassen systematisch seine Bürgerinnen und Bürger manipulieren und blenden, weil die Wahrheit, wenn sie denn ans Licht käme, so unerträglich wäre, dass niemand vorausahnen kann, was für gesellschaftliche und politische Umwälzungen bis hin zum Zusammenbruch der gesamten kapitalistisch-imperialistischen „Weltordnung“ dies zur Folge haben könnte?

Diesen Artikel habe ich am 20. April 2025 auch an die Chefredaktion des „St. Galler Tagblatts“ geschickt, ergänzt mit der Frage, welche Richtlinien bezüglich Ausgewogenheit, journalistischer Sorgfaltspflicht und Objektivität der redaktionellen Arbeit zugrunde liegen und mit welchen Instrumenten die Einhaltung solcher Richtlinien überprüft werde.