Laut neuesten Zahlen der Caritas sind in der Schweiz 1,2 Millionen von Menschen von Armut betroffen, 157‘000 Menschen sind sogenannte „Working poor“, sie verdienen trotz voller Erwerbsarbeit nicht genug zum Leben, und dies, obwohl in der Bundesverfassung das Recht auf einen existenzsichernden Lohn verankert ist. Gleichzeitig besitzen die 300 Reichsten des Landes 820 Milliarden Franken, fast so viel wie das jährliche Militärbudget der USA. Nur in weltweit zwei Ländern, nämlich Singapur und Namibia, sind die Vermögensunterschiede zwischen Arm und Reich noch grösser als in der Schweiz.
Armut, so eine Diskussionsteilnehmerin, werde meistens vererbt und sei ein Teufelskreis, in dem man oft lebenslang gefangen bleibe. Wer arm sei, werde von vielem ausgeschlossen wie zum Beispiel Sport- und Freizeitangeboten sowie kultureller Teilhabe, Zugang zu Medien und Bildungsmöglichkeiten. Auch wirke sich Armut demütigend in Bezug auf das Selbstwertgefühl und belastend auf die physische und psychische Gesundheit aus. Alle Anwesenden waren sich darin einig, dass die gegenwärtigen sozialpolitischen Rahmenbedingungen zu wenig ausreichend seien, um die Menschen wirksam vor Armut zu schützen: So etwa seien vor allem Frauen bei der Altersvorsorge benachteiligt, die AHV-Renten seien nicht immer existenzsichernd, die Ergänzungsleistungen seien sogar noch reduziert worden und in vielen Branchen seien viel zu niedrige Löhne immer noch an der Tagesordnung, während Krankenkassenprämien, Wohnungsmieten und Lebensmittelpreise weiter und weiter in die Höhe klettern.
Als mögliche Lösungsvorschläge wurden unter anderem genannt: Stärkung der AHV, höhere und automatisch ausbezahlte Ergänzungsleistungen, existenzsichernde Mindestlöhne, eine Einheitskrankenkasse mit einkommensabhängigen Prämien, höhere Erbschafts- und Kapitalgewinnsteuern sowie leichterer Zugang von einkommensschwächeren Berufsgruppen zu politischer Mitbestimmung und Einflussnahme. Ein Vorschlag stach besonders heraus: Jede Person, der es finanziell und wirtschaftlich gut gehe, solle Verantwortung übernehmen für eine Person, die benachteiligt sei. Leider aber, so wurde entgegnet, laufe heute vieles genau in die entgegengesetzte Richtung: Jeder sei mit sich selber beschäftigt, oft überlastet und überreizt, und der Druck, in immer kürzerer Zeit immer mehr zu leisten, nehme laufend zu.
Gegen Schluss der Diskussion zitierte ein Diskussionsteilnehmer den „armen Mann“, der in einer bekannten Parabel von Bertolt Brecht zum reichen Mann sagt: „Wärst du nicht reich, dann wäre ich nicht arm.“ Ein Hinweis darauf, dass Armut auf der einen Seite und Reichtum auf der anderen ursächlich zusammenhängen, und dass es nebst einzelnen punktuellen Verbesserungen letztlich wohl auch eine tiefergehende Systemveränderung brauche, um mehr soziale Gerechtigkeit zu schaffen.