From the river to the sea, Palestine will be free: Was bedeutet die an Pro-Palästina-Kundgebungen skandierte Parole wirklich?

Ralph Lewin, Präsident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes, interpretiert die an Pro-Palästina-Kundgebungen skandierte Parole „From the river to the sea, Palestine will be free“ im “Tagesanzeiger” vom 26. Januar 2024 so, dass damit die Auslöschung des israelischen Staates gefordert werde. Das ist, gelinde gesagt, ein mehr als scheinheiliger Vorwurf. Genau das Umgekehrte könnte man nämlich auch Israel zum Vorwurf machen. So präsentierte der israelische Premier Netanyahu anlässlich einer Sitzung der UN-Vollversammlung im vergangenen September eine Landkarte Israels, auf der sämtliche palästinensische Gebiete Israel zugerechnet wurden. Der israelische General Giova Eiland meinte in einem Zeitungsinterview, Israel habe gar keine andere Wahl, als den Gazastreifen in einen Ort zu verwandeln, an dem es „vorübergehend oder dauerhaft unmöglich ist, zu leben.“ Und Nir Barkat, der derzeitige Wirtschaftsminister Israels, liess verlauten, Israel werde die Palästinenser „vom Angesicht der Erde tilgen.“ In der Psychologie nennt man so etwas „Projektion“: Die eigene Geisteshaltung wird auf den Feind projiziert und diesem zum Vorwurf gemacht.

Dass man besagte Parole auch ganz anders verstehen kann, zeigt eine Aussage von Ruth Dreifuss, ehemaliger Schweizer Bundesrätin mit jüdischen Wurzeln: „Ich verstehe diese Parole so, dass die Region vom Jordan bis zum Mittelmeer frei sein soll von Krieg und Diskriminierung. Dies bedeutet nichts anderes als die friedliche Lösung des Nahostkonflikts.“