Freihandelsabkommen mit Indonesien: Wenig Spielraum auf dem Boden “neoliberaler” Realität…

 

Am 7. März 2020 stimmt die Schweiz über ein Freihandelsabkommen mit Indonesien ab. Umstritten ist das Abkommen wegen einer der wichtigsten Ressourcen Indonesiens: Palmöl. Dieser Rohstoff versteckt sich in vielen unserer Alltagsprodukte und ist vor allem deshalb umstritten, weil für den Anbau riesige Flächen Urwald abgeholzt werden müssen. Im vorliegenden Freihandelsabkommen sind deshalb die Zollrabatte auf Palmöl an Vorgaben zur Nachhaltigkeit geknüpft worden. Diese Vorgaben gehen aber diversen Umweltorganisationen zu wenig weit und sie haben deshalb gegen das Freihandelsabkommen das Referendum ergriffen. Während die Grünen das Referendum unterstützen, wird es von der GLP und der SP mehrheitlich abgelehnt – “wirtschaftsfreundliche” und “ökologische” Positionen gehen also quer durch das linksgrüne Lager. Einer, der auf der “wirtschaftsfreundlichen” Seite steht, ist SP-Nationalrat Fabian Molina. Er sagt: “Der Neoliberalismus ist heute eine handelspolitische Realität.” Und er argumentiert, dass bei einer Ablehnung des Abkommens das Palmöl weiterhin einfach nach den WTO-Regeln in die Schweiz kommen werde. Der “Neoliberalismus” als “handelspolitische Realität”. Genau so gut könnte man sagen: der Kapitalismus als handelspolitische Realität. Denn im Grunde ist “Neoliberalismus” nichts anderes als ein anderes Wort für Kapitalismus. Noch beschönigender wird oft von der “Freien Marktwirtschaft” gesprochen, aber auch das ist nur ein anderes Wort für Kapitalismus. Nun, was bedeutet das alles? Es heisst doch nichts anderes, als dass wir anscheinend in so etwas wie einer gottgegebenen Ordnung leben, in einer “Realität”, die unser tägliches Leben, unsere Wirtschaft, unsere Arbeitswelt und unser soziales Zusammenleben so tief durchdringt, dass wir offensichtlich nicht mehr wirklich etwas daran ändern können. Eine Realität, die unter anderem darin besteht, dass ganze Länder zwecks reiner Profitmaximierung multinationaler Konzerne ihrer gesamten natürlichen Lebensgrundlagen beraubt werden. Wie weit wir auf diesem Weg schon zurechtgeschliffen worden sind, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass selbst ein ehemaliger Juso wie Fabian Molina, der dereinst noch wie viele andere von der Überwindung des Kapitalismus träumte, eben diesen Kapitalismus nun als eine Realität hinstellt, die wir letztlich zu akzeptieren hätten. Das Tragische dabei ist, dass die Gegner eines Referendums gegen das Freihandelsabkommen mit Indonesien in gewisser Weise sogar recht haben: Wenn das Abkommen abgelehnt wird, dann träten nicht einmal jene minimalen Verbesserungen in Kraft, die das geplante Abkommen vorsieht. Die einzige Schlussfolgerung, die wir daraus ziehen können, besteht darin, diesen “Neoliberalismus”, diesen “Kapitalismus”, diese “Freie Marktwirtschaft” eben nicht mehr länger als jene göttliche Ordnung zu akzeptieren, vor der sich alle beugen. Fabian Molina und all die andern hatten eben schon recht, von der Überwindung des Kapitalismus zu träumen. Der Fehler bestand nicht darin, diesen Traum zu haben. Der Fehler bestand darin, ihn im Verlaufe des Älterwerdens zu vergessen oder zu verdrängen. Denn, wie schon der bekannte Urwalddoktor Albert Schweitzer sagte: “Im Jugendidealismus erschaut der Mensch die Wahrheit. Mit ihm besitzt er einen Schatz, den er gegen nichts in der Welt eintauschen soll.”