Frauenquoten sind gut und recht – aber es gibt noch andere Bevölkerungsgruppen, die auf ihre Gleichberechtigung warten

 

Die neuen, anfangs April 2021 verabschiedeten publizistischen Leitlinien des Schweizer Fernsehens verlangen, dass bei Nachrichten- und Diskussionssendungen “genderneutral und diskriminierungsfrei berichtet” werden müsse. Explizit heisst es: “Wir streben bei Expertinnen und Experten ein ausgeglichenes Verhältnis an, Zielgrösse ist 50:50.” Während die SVP eine solche Geschlechterquote ablehnt, wird sie unter anderen von der SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher begrüsst. Sie findet es richtig, dass das Schweizer Fernsehen “die Gesellschaft in ihrer Vielfalt abbildet.” Doch was ist mit “Vielfalt” hier ganz genau gemeint? Es fällt auf, dass, wenn es um die “Vielfalt” der Gesellschaft geht, damit fast immer nur eine gleichberechtigte Vertretung von Frauen gemeint ist. Doch die Gesellschaft setzt sich nicht nur aus Frauen und Männern zusammen, sondern auch aus “Alten” und “Jungen”, aus “Gebildeten” und so genannt “Ungebildeten”, aus Menschen mit einheimischen Wurzeln und solchen mit einem Migrationshintergrund. Um die Vielfalt der Gesellschaft wirklich angemessen abzubilden, müssten daher nicht nur Frauenquoten, sondern auch “Jugendquoten”, “Arbeiterquoten” und “Ausländerquoten” eingeführt werden. Erste zaghafte Schritte bei der vermehrten Berücksichtigung von Ausländerinnen und Ausländern sind, nicht zuletzt auf Druck der entsprechenden Interessenverbände, festzustellen. Von einer “Jugendquote” sind wir allerdings noch himmelweit entfernt, nur selten sind in einem “Club” oder einer “Arena” des Schweizer Fernsehens 16- oder 18jährige Jugendliche anzutreffen – es sei denn, es gehe in der betreffenden Sendung explizit um das Thema Jugend. Während auf der einen Seite schon das Stimm- und Wahlrecht für Sechzehnjährige diskutiert wird, verschliessen sich nicht nur das Fernsehen, sondern auch die meisten übrigen Medien dem Potenzial Jugendlicher weitgehend hartnäckig. Dabei sind sie es, die Jugendlichen, die als Erwachsene in jener Welt leben werden, die wir heute weitgehend über ihre Köpfe hinweg aufbauen. Eine Riesenchance wird damit vertan, sind es doch genau die Jugendlichen, die uns mit ihrer Phantasie, ihrer Kreativität und ihrem offenen, freien Denken die Augen öffnen können dafür, unsere heutigen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Herausforderungen auf neue, unkonventionelle Weise anzupacken. Und erst recht zu kurz kommen all jene Menschen, die man als so genannt “ungebildet” zu bezeichnen pflegt. Es fällt auf, dass in Nachrichten- und Diskussionssendungen vor allem so genannte “Expertinnen” und “Expertinnen” auftreten, bei denen es sich in aller Regel um akademisch Gebildete handelt. Wer hätte in einem “Club” oder einer “Arena” schon mal eine “einfache” Verkäuferin oder einen “einfachen” Bauarbeiter gesehen? Damit aber werden 90 Prozent der Bevölkerung schon mal zum vornherein ausgeschlossen, und dies, obwohl genau diese 90 Prozent der Bevölkerung aufgrund ihrer reichen täglichen Lebens- und Berufserfahrung an der Basis der Gesellschaft auch in jeder noch so “hochkarätigen” Gesprächsrunde ausserordentlich viel zu sagen hätten und vielleicht auch das eine oder andere Votum einer so genannt “gebildeten” Person relativieren oder zumindest wertvoll ergänzen könnten. “Frauenquoten” sind gut und recht. Aber wir sollten es darob nicht versäumen, auch all jenen anderen Bevölkerungsgruppen, die in der öffentlichen Berichtserstattung bisher zu kurz gekommen sind, mehr Raum zu geben. Nicht nur mit dem Ziel, vorgegeben Quoten zu erfüllen, sondern vor allem mit dem Ziel, ein Riesenpotenzial an Erfahrungen, Ideen und Phantasie für die Bewältigung zukünftiger Herausforderungen zu nutzen, das uns sonst verschlossen bliebe.