Fliegen als Volkssport

Über die Weihnachtstage gelüstet es viele Schweizerinnen und Schweizer nach Sonne und Wärme. Bangkok ist auf der Liste der Reiseziele weit oben. Der Jahreswechsel am Strand unter Palmen ist im Trend – man gönnt sich ja sonst nichts. Flüge nach Thailand  bucht man für ein paar hundert Franken. Heute ist das Fliegen eine Art Volkssport. «Die Schweiz hat sich vom Land der Bahnfahrer zum Land der Vielflieger entwickelt», sagte Patrick Hofstetter, Leiter Klimapolitik beim WWF. Allein in den letzten fünf Jahren hat sich die mit dem Flugzeug zurückgelegte Strecke pro Kopf ungefähr verdoppelt. Sie ist heute grösser als jene, die wir mit Zug und Auto absolvieren. Das bleibt nicht ohne Folgen: Die CO2-Emissionen der Luftfahrt machen rund 18 Prozent des schweizerischen Klimaeffekts aus. Eine Umfrage im Auftrag der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES) zeigt, dass 60 Prozent der Befragten der Aussage zustimmen, wonach die Fliegerei das Klima aufheizt.  Aber nur knapp ein Viertel hat in den letzten zwei Jahren aus ökologischen Gründen auf eine Flugreise verzichtet. Wir verhalten uns wie unbelehrbare Raucher: Wir wissen, dass es schädlich ist, und tun es trotzdem.

(www.watson.ch)

Wir wissen, dass es schädlich ist, und tun es trotzdem. Wie mit dem Autofahren, dem Kaufen von Billigtextilien, dem Verzehr von Fleisch oder dem Fortwerfen des Smartphones, das bloss zwei Jahre alt ist. Wir wissen, dass all dies schädlich ist, und tun es trotzdem. Der kapitalistischen Propaganda ist es offensichtlich gelungen, einen Keil zu treiben zwischen unser Wissen und unser Handeln. Der momentane Genuss und die durch ihn früher oder später verursachten Zerstörungen sind weit und unsichtbar voneinander getrennt, im Gegenteil: Je drohender die Gefahren des Klimawandels, umso paradiesischer erscheinen die Bilder von Südseeinseln und Stränden. Je verheerender die Folgen der CO2-Emissionen, umso kuscheliger der Flugzeugsitz und umso verlockender die von den Flight Attendants servierten Köstlichkeiten. Das ist der Kapitalismus. Dass er immer nur die eine Seite der Medaille zeigt, nämlich die schöne, während er die hässliche vor uns verbirgt. So dass wir noch von Inseln träumen werden, die es in der Wirklichkeit vielleicht schon gar nicht mehr gibt…