Erstes Montagsgespräch am 4. September 2023: Wie könnte ein nichtkapitalistisches Wirtschafts- und Gesellschaftssystem aussehen?

Dass das kapitalistische Wirtschaftssystem sowohl in sozialer, wirtschaftlicher, vor allem aber auch in ökologischer Hinsicht viele Mangel aufweist, darüber war man sich in der Runde einig. Im Fokus stand die Kritik am kapitalistischen Wachstumsglauben, der zu einer immer grösseren Überproduktion und zu einem masslosen Verschleiss an Rohstoffen und Energie führt, mit den bekannten schädlichen Folgen für die Umwelt und die zukünftigen Lebensgrundlagen. Höchst ungerecht aber ist auch die Verteilung von Einkommen und Vermögen, so beträgt beispielsweise im Pharmakonzern Roche die Differenz zwischen den höchsten und den tiefsten Löhnen 307 zu 1! Zu reden gab auch der Umstand, dass im National- und Ständerat die Bevölkerungsgruppe der wenig verdienenden Berufsleute praktisch nicht vertreten ist. Allgemein sei die Gesellschaft zunehmend vom Druck am Arbeitsplatz und von gegenseitigem Konkurrenzkampf um den sozialen Aufstieg geprägt, was schon in der Schule beginne, wo die Kinder und Jugendlichen gegenseitig um gute Noten und Zukunftschancen wetteifern müssen. Als Lösungsansätze wurden in der Runde unter anderem folgende Punkte genannt: Mehr Transparenz in der politischen Werbung, denn oft werden Abstimmungen durch finanziell Mächtige so stark manipuliert, dass die Mehrheit der Bevölkerung Entscheide gegen ihre eigenen Interessen trifft, so zum Beispiel beim Thema Einheitskrankenkasse. Eine Wirtschaft, die nicht vor allem auf Profitmaximierung ausgerichtet ist, sondern auf das Wohlergehen der gesamten Gesellschaft. Ein neues Denken und eine neue Sprache als Grundlage für innovative Zukunftslösungen. Eine gerechtere Verteilung von Vermögen und Einkommen. Ein stärkeres Mitspracherecht der arbeitenden Bevölkerung in der Wirtschaft. Einig war man sich auch darin, dass die bestehenden Verhältnisse nicht von heute auf morgen umgekrempelt werden können. Doch es braucht so etwas wie «Leuchttürme», wie es einer der Diskussionsteilnehmer formulierte: Visionen, Zukunftsideen, an denen man sich orientieren kann und die Hoffnung vermitteln, dass eine Welt jenseits von reiner Gewinnmaximierung, endlosem Wachstum, sozialer Ungleichheit und einem immer härteren gegenseitigen Konkurrenzkampf möglich ist. Oder, mit den Worten von André Stern: «Zwischen der heutigen Welt und der zukünftigen ist ein riesiger Ozean, und da ist es schon klar, dass wir diesen Sprung nicht unter einem Mal schaffen, es braucht viele kleine Schritte.»