Erste indigene Frau in einer US-Regierung: Doch es gibt noch andere Formen von Diskriminierung…

 

Mit der 60jährigen Deb Haaland aus New Mexiko nominiert Joe Biden zum ersten Mal in der Geschichte der USA eine Frau mit indigenen Wurzeln als Regierungsmitglied. Ein Meilenstein. Auch bei der Auswahl der übrigen Regierungsmitglieder hat Joe Biden bezüglich Alter, Geschlecht, Hautfarbe und ethnischer Zugehörigkeit auf eine möglichst ausgewogene Zusammensetzung geachtet. Bei alledem geht aber nur zu leicht vergessen, dass es noch eine ganz andere Form von Diskriminierung gibt, an die man sich aber offensichtlich schon so sehr gewöhnt hat, dass sich niemand mehr darüber aufzuregen scheint. Es ist die Diskriminierung zwischen so genannt “Gebildeten” und so genannt “Ungebildeten”. Wie Michael J. Sandel in seinem Buch “Vom Ende des Gemeinwohls” nachweist, hatten im Jahre 2000 95 Prozent der Abgeordneten im US-Kongress einen akademischen Grad, im Senat sogar 100 Prozent. Und dies, obwohl zwei Drittel der erwachsenen Amerikanerinnen und Amerikaner keinen Universitätsabschluss besitzen. Das war nicht immer so: 1960 hatten etwa ein Viertel der Senatorinnen und Senatoren und ebenfalls ein Viertel der Kongressabgeordneten keinen akademischen Abschluss. Die Kluft zwischen “Gebildeten” und “Ungebildeten” hat sich also seither immer mehr vertieft. Oben die, die es geschafft haben und dafür mit höherem Ansehen, mehr Macht und grösserem Einkommen belohnt werden. Unten die, die es nicht geschafft haben, sich mit einem Knochenjob abfinden müssen und erst noch mit geringerem Ansehen, kleinerem Einkommen und schlechteren Lebensverhältnissen auskommen müssen. Geradezu zynisch wird es, wenn sich dann, wie das oft der Fall ist, die “Gebildeten” sogar noch als etwas Besseres fühlen, auf die “Ungebildeten” hinabschauen oder sie sogar verachten, obwohl sie ihre “Sonnenplätze” an der Spitze der gesellschaftlichen Machtpyramide genau denen verdanken, die unten, an der Basis, all jene unentbehrlichen Arbeiten verrichten, ohne welche die ganze Gesellschaft augenblicklich in sich zusammenbrechen würde. Die Diskriminierung, die der “Ungebildete” erfährt, ist nicht kleiner als jene, welche ein Schwarzer oder eine Latina erfährt, wenn ihr die Fähigkeit zu einer höheren gesellschaftlichen Aufgabe zum vornherein abgesprochen wird. Sagte man früher einem Schwarzen, er wäre zu dumm für ein höheres politisches Amt, so sagt man dies heute, freilich ohne es offen auszusprechen, einem “Ungebildeten” genau so unmissverständlich mitten ins Gesicht. Dabei sagt die so genannte “Bildung” genau so wenig wie die Hautfarbe etwas Wesentliches über die Fähigkeiten eines Menschen aus. Sandel zeigt in seinem bereits erwähnten Buch auf, dass es in früheren amerikanischen Regierungen immer wieder Nichtakademiker gab und sich diese nicht selten durch besonders hervorragende Leistungen auszeichneten. Die Spaltung eines Volkes in “Gebildete” und “Ungebildete” ist ein ebenso grosses Unrecht wie die Diskriminierung von Frauen oder Menschen anderer Hautfarbe. Und sie ist vor allem einer echten Demokratie in höchstem Grade unwürdig. Übrigens, auch Deb Haaland verfügt über einen Universitätsabschluss, wie könnte es auch anders sein…