Ein US-Kabinett, das “so aussieht wie Amerika”?

 

“Männer, Frauen, Homosexuelle, Heterosexuelle, Mitte, die ganze Bandbreite, Schwarze, Weisse, Asiaten” – mit diesen Worten hatte Joe Biden bereits in seinem Wahlkampf ein zukünftiges Kabinett versprochen, das “so aussehen soll wie Amerika”. Dieses Versprechen hat Biden bei der Vergabe der Ministerposten nun tatsächlich auch eingelöst. Und doch ist das neue Kabinett weit davon entfernt, so “auszusehen wie Amerika”. Denn in diesem Kabinett sucht man vergeblich einen Busfahrer oder die Mitarbeiterin einer Imbissbude. Auch Bauarbeiter, Krankenpflegerinnen, Putzfrauen oder Fabrikarbeiterinnen wird man in Bidens Kabinett vergebens suchen, ebenso wie Blumenverkäuferinnen, Köche oder Kellnerinnen. Mit anderen Worten: 90 Prozent der amerikanischen Bevölkerung sind auch unter dem neuen Präsidenten zum vornherein von einem hohen politischen Amt oder gar von einem Ministerposten ausgeschlossen, nicht aufgrund der Hautfarbe, nicht aufgrund des Geschlechts oder der ethnischen Herkunft, sondern einzig und allein aufgrund ihrer schulischen Bildung, ihrer beruflichen Tätigkeit und ihres sozialen Standes. Eigentlich erstaunlich, dass in diesem Zusammenhang niemand von Diskriminierung spricht und es noch nirgendwo zu Aufmärschen und Massenbewegungen von Arbeiterinnen und Arbeitern gekommen ist, wie wir sie etwa von der Frauenbewegung, der Klimabewegung oder der “Black Lives Matter”-Bewegung kennen. Dabei hätten die Millionen von Menschen, die sich auf den unteren Rängen der gesellschaftlichen Machtpyramide für geringen Lohn und geringe Wertschätzung Tag für Tag abrackern, allen Grund dazu, Gleichberechtigung und politische Teilhabe auch an den höchsten Stellen einzufordern, würden doch die gesamte Gesellschaft und die gesamte Wirtschaft mitsamt dem gesamten Regierungsapparat augenblicklich in sich zusammenbrechen, wenn niemand mehr bereit wäre, die gesamte riesige Knochenarbeit, die an der Basis geleistet wird, zu verrichten. Höchste Zeit für eine neue Emanzipationsbewegung, für eine Emanzipationsbewegung der Arbeiterinnen und Arbeiter, für eine Überwindung der gesellschaftlichen Machtpyramide und für eine neue Gesellschaftsordnung, in der es nicht mehr “oben” und “unten” gibt, sondern nur noch ein demokratisches, gleichberechtigtes Miteinander aller. Auf dass dann im nächsten Kabinett auch Busfahrer und Kellnerinnen sitzen werden und dieses Kabinett dann tatsächlich “so aussieht wie Amerika”.