Ein paar grundsätzliche Gedanken zur Abstimmung vom 13. Februar 2022 über die “Stempelsteuer”

 

Jetzt soll es der Emissionsabgabe (Bestandteil der sogenannten Stempelabgabe), die eine Firma bei der Aufstockung ihres Eigenkapitals zu entrichten hat, an den Kragen gehen. Dadurch würden dem Staat Steuereinnahmen von jährlich 250 Millionen Franken verloren gehen. Bürgerliche Parteien und der Bundesrat begründen die geplante Abschaffung der Emissionsabgabe mit der dadurch bewirkten “Stärkung des Steuer- und Wirtschaftsstandorts”. Mit dem gleichen Argument wurde bereits 1998 die Unternehmensreform I umgesetzt, welche unter anderem die Abschaffung der Kapitalsteuer auf Bundesebene beinhaltete. Es folgte 2007 das Unternehmenssteuerreformgesetz II, welches mehrere unternehmerfreundliche Änderungen bei den Bemessungsgrundlagen für die Gewinnsteuer mit sich brachte. Und mit der Unternehmenssteuerreform III, die allerdings 2017 vom Volk abgelehnt wurde, hätten die Kantone die Möglichkeit bekommen, sämtlichen Unternehmen steuerliche Entlastungen zu gewähren, was zu Steuerausfällen von rund zwei Milliarden Franken geführt hätte. In den Erläuterungen des Bundesrats zur Unternehmenssteuerreform III lesen wir: “Mit der Unternehmenssteuerreform III sollte die Attraktivität des Steuerstandortes Schweiz gestärkt und die internationale Akzeptanz der Schweizer Unternehmensbesteuerung wieder hergestellt werden.” Auch bei der Abschaffung der Erbschaftssteuer, die in den vergangenen Jahren nach und nach in fast allen Kantonen erfolgte, wird stets das Argument des “Standortwettbewerbs” ins Feld geführt. Doch denken wir diese Argumentation konsequent weiter, dann gäbe es ja nie ein absolutes Ende dieses “Standortwettbewerbs”, weder zwischen den einzelnen Kantonen, noch zwischen den einzelnen Staaten. Buchstäblich ein Fass ohne Boden, wie auch bei jeder anderen Form von Wettbewerb: Es gibt stets noch einen anderen, der die Nase ein bisschen weiter vorne hat und den man überholen muss, um nicht den Anschluss zu verlieren – worauf der Überholte dann erst recht alles daran setzen wird, seinen Kontrahenten aus dem Feld zu schlagen. Wie sehr das ein Spiel ohne Grenzen ist, zeigt sich auch darin, dass die FDP, federführend in Sachen Steuerwettbewerb, am liebsten auch noch die beiden anderen Teile der Stempelsteuer abgeschafft hätte: die Abgabe auf Versicherungsprämien und die sogenannte Umsatzabgabe, welche immer dann fällig wird, wenn in- und ausländische Wertpapiere gehandelt werden. Die Streichung aller drei Stempelabgaben hätte Steuerausfälle von zwei Milliarden Franken zur Folge. Wenigstens konnte das Parlament das Schlimmste verhindern und lehnte die Abschaffung der beiden zusätzlichen Stempelabgaben ab. Der “Steuerwettbewerb”, von dem die Unternehmen profitieren, ist, aus sozialer und gesellschaftspolitischer Sicht, die wahre Katastrophe. Denn jeder Franken, den ein Unternehmen an Steuern weniger abgibt, muss entweder im öffentlichen Raum, im Sozialbereich, in der Bildung, in der Infrastruktur eingespart oder auf Steuern und Abgaben umgeschlagen werden, welche die arbeitende Bevölkerung aufzubringen hat – eine permanente, buchstäblich “endlose” Umverteilung von der Arbeit zum Kapital. Und das ist ja noch längst nicht alles: Die Unternehmensgewinne, die zu einem grossen Teil in die Taschen von Aktionären und Aktionärinnen fliessen, sind ja nur deshalb möglich, weil genug Menschen in diesen Unternehmen für ihre Arbeit weniger verdienen, als ihre Arbeit eigentlich Wert wäre – ein doppelter und dreifacher Diebstahl also! Da sich bei diesem Spiel früher oder später alle letztlich ins eigene Fleisch schneiden – denn auch die Unternehmen sind auf stabile soziale Verhältnisse, guten öffentlichen Verkehr und gute Schulen angewiesen -, braucht es dringend einen radikalen Systemwechsel. An die Stelle der Globalisierung des Standortwettbewerbs und der Unternehmensgewinne muss eine Globalisierung der sozialen Gerechtigkeit treten. Das Konkurrenzprinzip mag bei sportlichen Wettkämpfen oder bei der Entwicklung neuer Technologien sinnvoll sein, nicht aber dort, wo es um die Existenzsicherung und das Wohl der Menschen geht. Steuersätze müssen sowohl in jedem Land wie auch weltweit verbindlich festgelegt werden, “Steuerwettbewerb” muss der Vergangenheit angehören. Wenn es dahin auch noch ein weiter Weg ist: Die Abstimmung am 13. Februar gegen die Abgabe der Stempelsteuer ist immerhin ein erster kleiner Schritt dazu..