Ein neuer Kalter Krieg? Zeit für ein radikales Umdenken…

 

Zuerst bezeichnet der amerikanische Präsident Joe Biden den russischen Präsidenten Wladimir Putin als “Killer”. Dann lädt Biden seine Amtskollegen aus Japan, Indien und Australien zu einem virtuellen Treffen ein und US-Aussenminister Blinken besucht demonstrativ Japan und Südkorea – dies alles, um eine möglichst grosse Einheitlichkeit gegenüber China zu beschwören. Schliesslich treffen sich hochrangige Vertreter des chinesischen Regimes und der US-Regierung in Anchorage, wo es zu einem heftigen Schlagabtausch zwischen beiden Seiten kommt. Alles deutet darauf hin, dass wir wieder einmal mitten in einem Kalten Krieg sind, in dem Wortwahl und gegenseitige Drohgebärden zwischen den Grossmächten immer schärfere Formen annehmen. Gewiss, die Politik der chinesischen Regierung gegenüber Minderheiten wie den Uiguren und Tibetern ist ebenso wenig zu rechtfertigen wie das Vorgehen gegen die demokratische Bewegung in Hongkong. Doch gibt es im Rahmen der UNO und internationaler Menschenrechtsorganisationen genügend Plattformen, um diese Probleme anzusprechen und einer möglichen Lösung entgegenzuführen. Wenn hingegen gegenseitige Feindbilder geschürt, gegenseitige Drohkulissen aufgebaut und mit Strafzöllen und Sanktionen gedroht wird, dann ist das alles nur Öl ins Feuer jener Probleme, die man angeblich zu lösen versucht. “Insbesondere nach diesem persönlichen Angriff Bidens gegen Putin”, so SRF-Russlandkorrespondent David Nauer, “ist der Kreml erst recht nicht mehr bereit, auf die USA zuzugehen.” Tatsächlich: Wo Türen zugeschlagen statt geöffnet werden, rückt eine Lösung zwischenstaatlicher Probleme in immer weiter entfernte Zukunft. Dass Drohungen auf der einen Seite Drohungen auf der anderen provozieren, dass Gewalt stets Gegengewalt hervorruft – dies alles müsste nun doch eigentlich langsam bekannt sein, umso mehr, als wir wissen, dass der allerletzte Schritt solcher Entwicklungen nichts anderes ist als der tatsächliche Einsatz all jener militärischen Mittel, die man über Jahrzehnte im gegenseitigen Machtgebaren aufgebaut hat. Nicht einmal wirtschaftliche Sanktionen sind ein taugliches Mittel, um dem politischen “Gegner” Änderungen seiner Macht- oder Wirtschaftspolitik aufzuzwingen, denn Wirtschaftssanktionen treffen immer die Schwächsten. Das wissen wir spätestens seit den Wirtschaftssanktionen, welche die US-Regierung in den Neunzigerjahren gegen den Irak verhängte und denen rund eine halbe Million Kinder infolge mangelnder Ernährung und Medikamente zum Opfer fielen. Wir sind heute an dem Punkt angelangt, wo das Bestreben einzelner Staaten nach weltweiter Vorherrschaft und der Glaube, zwischenstaatliche Probleme liessen sich mit Zwangsmassnahmen, gegenseitigen Beschuldigungen und Drohgebärden oder gar mit militärischen Mitteln lösen, endgültig in der Mottenkiste der Vergangenheit versenkt werden müssen. Ist es ein Zufall, dass sich auf der heutigen Weltbühne, wo immer heftiger um die zukünftige globale Vormachtstellung gerungen wird, mit Joe Biden, Wladimir Putin und Xi Jinping drei Männer genau jenes patriarchalen Zeitalters gegenseitiger Macht- und Muskelspiele gegenüber stehen, dessen Zeit schon längst abgelaufen wäre? Schauen wir uns aktuelle demokratische Bewegungen von Weissrussland über Chile, Libanon, Hongkong bis hin zur Klimabewegung an, dann sehen wir überall junge Frauen an vorderster Front. Das gibt Anlass zu Hoffnung. Dass wir schon bald in einer Welt leben werden, die nicht mehr von Gewalt, Unterdrückung, Ausbeutung und gefährlichen gegenseitigen Machtspielen dominiert sein wird, sondern von gegenseitigem Respekt und vom Bemühen, für gemeinsame Probleme gemeinsame Lösungen zu finden.