Ein Fass voller Löcher

Nicht nur in der Schweiz wird fleissig gebaut, auch weltweit entstehen ständig neue Städte, Strassen, Flughäfen oder künstliche Inseln. Für all das wird Sand gebraucht, denn der Rohstoff ist Hauptbestandteil in Beton, Asphalt und Glas. Weil der Bauboom gigantisch ist, wird auch gigantisch viel Sand verbraucht. Bis zu 50 Milliarden Tonnen sind es weltweit in nur einem einzigen Jahr, schätzen die Experten der UNO-Umweltbehörde. Jedes Jahr steigt der Verbrauch um weitere 5.5 Prozent. Ein Beispiel ist Singapur: Der ehrgeizige Stadtstaat hat seine Landfläche in den letzten 60 Jahren um ein Viertel vergrössert und will weiter wachsen. Treibstoff des Baubooms ist Sand.

Den Sand hat das Land selbst nicht. Das hat Singapur zum grössten Sandimporteur der Welt gemacht. Das Problem ist nur, dass der Rohstoff endlich ist. Zwar gibt es in Wüsten mehr als genug der feinen Körner, doch Wüstensand ist zu rund, zu wenig griffig und daher für den Bau unbrauchbar. Es bleibt nur der Sand, den Flüsse und Küsten zu bieten haben, doch der wird langsam knapp. Die Natur kommt mit der Produktion nicht mehr nach. Die Folgen des Abbaus können dramatisch sein. In Marokko beispielsweise haben Schmuggler nach Angaben der UNO-Umweltbehörde den Sand an einem Küstenstreifen schon so weit abgetragen, dass nur noch Steine übriggeblieben sind. Für den Tourismus ist die Region somit verloren. Der Abbau von Dünen an Meeresküsten führt auch zu mehr Überschwemmungen. Und am Fluss Mekong trägt der Sandabbau in Laos, Thailand oder Kambodscha schon jetzt dazu bei, dass das riesige Flussdelta in Vietnam abgetragen wird. Dadurch geht fruchtbares Land für den Reisanbau verloren, der Millionen von Menschen ernährt.

Doch weil der Rohstoff Sand begehrt und die Regulierung vielerorts schwach ist, geht der Raubbau weiter. Die UNO wirbt nun für internationale Regeln, die den Abbau begrenzen. Sie appelliert an Bauunternehmen, nach Ersatzstoffen zu suchen, Asche etwa oder Sägemehl. Denn sonst sei der ganze Fortschritt buchstäblich auf Sand gebaut.

(www.srf.ch)

Das dramatische Beispiel zeigt, dass alles, was eine noch so «grüne» Politik im Köcher hat, viel zu kurz greift. Förderung erneuerbarer Energien, CO2-Abgaben auf Flugtickets, Elektromobile statt Benzinautos, Recycling von Rohstoffen, Fleisch aus tiergerechter Haltung – alles gut und recht, aber wirksam aufhalten lässt sich damit die kapitalistische Zerstörungswut nicht im Entferntesten. Es ist wie ein Fass voller Löcher: Ist das eine Loch gestopft, fliesst das Wasser bei den anderen Löchern nur umso stärker heraus. Was wir brauchen, sind nicht Pflästerli, um die einzelnen Löcher zu stopfen – diesen Wettlauf würden wir nie gewinnen. Was wir brauchen, ist ein neues Fass, sprich: eine neue Wirtschaftsordnung, die sich den Gesetzen der Natur und der Erde unterwirft. Genau so, wie wir das, wären wir nicht so überheblich, von den alten Kulturvölkern, welche Tiere und Pflanzen als höchste Gottheiten verehrten, hätten lernen können…