Drei Wege zur Überwindung des Kapitalismus

Fakt ist, dass sich der Kapitalismus nur unter der Bedingung von mehr oder weniger konstantem Wachstum stabilisieren kann. Die kapitalistische Marktwirtschaft basiert auf der Konkurrenz derer, die die Produktionsmittel besitzen. Diese Konkurrenz resultiert in der Notwendigkeit, immer mehr Profit zu generieren – also Kapital anzuhäufen – damit ein Teil davon wieder in die Optimierung des Produktionsprozesses und der Produktivität investiert werden und so dem Unternehmen gegenüber der Konkurrenz einen Wettbewerbsvorteil verschaffen kann. Dieser Druck, immer mehr Kapital zu akkumulieren, führt, neben der Ausbeutung der Arbeiterinnen und Arbeiter, auch unweigerlich zum Zwang, kontinuierlich mehr Produkte und Dienstleistungen zu produzieren und zu verkaufen. Der Kapitalismus muss also immer mehr produzieren, um zu überleben. Dabei spielen die Bedürfnisse der Menschen keine Rolle: Wenn die Bedürfnisse befriedigt sind, müssen künstlich neue geschaffen werden, um die Maschinerie am Laufen zu halten. Die Konsequenz dieser Dynamik ist, dass die zur Waren- und Dienstleistungsproduktion benötigten Rohstoffe und Energiequellen immer intensiver ausgebeutet werden müssen, was – wie inzwischen offensichtlich ist – zu einem Ausmass von Naturzerstörung führt, das nicht nur die Existenzbedingungen des Kapitalismus, sondern auch jene der Menschen und des Planeten selbst erodiert.

(Michael Tulpe und Xavi Balaguer in: «antikap»  Nr. 9, Frühling 2019)

Es gibt, wenn die Menschheit überleben will, keine Alternative zur Überwindung des Kapitalismus. Doch auf welchem Wege soll diese erfolgen? Drei Szenarien sind vorstellbar: Entweder bildet sich eine neue, globale, antikapitalistische Partei, die in allen Ländern die absolute Mehrheit der Parlamentssitze anstrebt, damit die neue Weltordnung länderübergreifend umgesetzt werden kann. Oder man lässt den Dingen ihren Lauf, bis das kapitalistische System an seinen eigenen Widersprüchen zerbricht – die Folgen dieses Szenarios könnte allerdings eine historische Phase des Chaos, der Gewalt und der Zerstörung sein, bevor aus den Trümmern des Alten etwas Neues entstehen könnte. Oder, drittes Szenario, die Menschen solidarisieren sich über alle geografischen, religiösen, sozialen und nationalen Grenzen hinweg in der Erkenntnis, dass wir alle im gleichen Boot sitzen und nicht gegeneinander, sondern nur miteinander eine von Grund auf neue Weltordnung aufbauen können. Es liegt auf der Hand, dass dieses dritte Szenario den beiden anderen vorzuziehen ist: So wie die nachkapitalistische Zukunftsvision eine Vision von Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Frieden ist, so soll auch der Weg dorthin ein Weg der Menschlichkeit, Gerechtigkeit und des Friedens sein. Anstelle der bisherigen – kapitalistischen – Machtverhältnisse sollen nicht neue – nichtkapitalistische – Machtverhältnisse treten, sondern eine Überwindung sämtlicher Machtverhältnisse zwischen Menschen und Menschengruppen, sämtlicher Ausbeutung von Menschen durch Menschen, sämtlicher Unterdrückung von Menschen durch Menschen. Denn, wie schon der Schweizer Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt sagte: «Was alle angeht, können nur alle lösen.»