Drei Dinge sind uns aus dem Paradies geblieben: Sterne, Blumen und Kinder…

 

Die soeben zu Ende gegangene Weltklimakonferenz in Glasgow hat es einmal mehr bestätigt: Wachstum, Industrialisierung und die Steigerung des Bruttosozialprodukts – das sind die ungeschriebenen Gesetze des Kapitalismus, aufgrund derer sich alle Länder der Welt einen permanenten gegenseitigen Konkurrenzkampf liefern, an deren vorderster Stelle die reichsten Industrienationen des Westens stehen, während alle anderen auf Teufel komm raus ihnen nachzueifern versuchen. Man kann es freilich keinem Land verargen, einen Wohlstand anzustreben, der für andere Länder längst selbstverständlich ist. Aber wenn alle Länder der Welt so viel Energie und so viele Ressourcen verbrauchen würden wie zum Beispiel die USA, dann wäre unser gesamten Ökosystem wohl schon längst kollabiert. Es braucht daher tatsächlich einen radikalen “Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft”, aber nicht, indem man mehr Windräder baut, mehr Hecken pflanzt und mehr Nachtschnellzüge zwischen europäischen Städten hin- und hersausen lässt. Es braucht einen Umbau des kapitalistischen Wirtschaftssystems, und zwar weltweit. Nicht schrankenlose Profitmaximierung auf Kosten von Mensch und Natur, nicht das rücksichtslose Verprassen von Energie und Ressourcen auf Kosten zukünftiger Generationen und nicht die immer tiefer gehende Kluft zwischen Arm und Reich sollen zukünftig die Grundlage des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenlebens auf diesem Planeten bilden, sondern das gemeinsame Bemühen um das Wohlergehen aller Menschen auf einer Erde, wo uns früher oder später nur noch die Wahl bleibt zwischen einem kollektiven Untergang oder dem Anfang einer neuen, radikal neuen Zeit. Das enttäuschende Ergebnis der Weltklimakonferenz hat gezeigt, dass die Politiker und Politikerinnen der alten kapitalistischen Zeit wohl nicht mehr in der Lage sind, das Ruder tatsächlich herumzureissen und eine solche grundlegende Systemveränderung voranzutreiben, ja nicht einmal, sich einen solchen Wandel überhaupt nur annährend vorstellen zu können, zu sehr sind sie gefangen in ihrer traditionellen Rolle, zu sehr sind sie Teil dieses Systems, in dem sie gross geworden sind, das sie durch und durch geprägt hat und dem sie das Ansehen, den Einfluss und die Macht verdanken, die es ihnen möglich gemacht haben, an dieser Konferenz ihr jeweiliges Land zu vertreten. Schon Albert Einstein sagte: “Man kann Probleme nicht mit der gleichen Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.” Ja, es braucht etwas von Grund auf Neues, alles andere ist vergebliche Mühe. Und es wäre ja nicht einmal so schwer: Die Klimajugend hat den Boden vorbereitet, den Teppich ausgerollt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Weltklimakonferenz hätten nur wenigstens einen Tag lang auf die andere Seite des Flusses gehen müssen, dorthin, wo Greta Thunberg und ihre Mitstreiterinnen und Mietstreiter ihre Zelte aufgeschlagen hatten. Die Kinder und Jugendlichen hier und heute wahren diesen wunderbaren Schatz, das Wissen und die zeitlosen Werte der Liebe und der Gerechtigkeit, das Feuer der Leidenschaft, den unverbrüchlichen Glauben an eine schöne Zukunft und an das gute Leben für alle. Wie lange noch wollen wir blind an den Kindern und den Jugendlichen vorbeigehen, wie lange wollen wir sie noch belehren, statt ihnen zuzuhören und von ihnen zu lernen, wie lange wollen wir noch warten, bis eine neue Zukunft Wirklichkeit werden kann? “Drei Dinge”, sagte der italienische Dichter Dante Alighieri, “sind uns aus dem Paradies geblieben: Sterne, Blumen und Kinder.” Was für ein Zeichen der Hoffnung: Die Kinder haben den Schlüssel zum Paradies. Wenn wir ihnen folgen, dann können wir das Paradies hier und heute auf dieser Erde Wirklichkeit werden lassen und brauchen nicht zu warten, bis wir gestorben sind.