Digitalisierung und Klimawandel

Eine weisse Wolke am blauen Himmel ist etwas Luftiges, Leichtes, manchmal Verspieltes, beinahe Immaterielles. Wohl deshalb verorten viele die Cloud, die Datenwolke, intuitiv ebenfalls irgendwo «am Himmel» und nutzen die Segnungen der Digitalisierung, ohne an Online-Umweltverschmutzung zu denken. Dabei entfallen auf die globale IT-Branche weltweit rund sieben Prozent des Stromverbrauchs… Gesamthaft wächst der Datenberg gewaltig. Die Internet-Nutzung in all ihren Facetten verdoppelt sich etwa alle ein bis zwei Jahre. Die Daten- und Energiemengen wachsen in astronomische Höhen. Die grossen Treiber sind einerseits die stark zunehmende private und betriebliche Nutzung von Handys, Tablets, PC etc., anderseits die totale globale Vernetzung, das «Internet der Dinge» (IoT), das Cloud-Computing, das Video-Streaming. Zudem ist jeder kleinste Klick im Internet nur dank einer massiven Infrastruktur möglich: Router, Übertragungsnetze, Antennen, Rechenzentren und riesige Serverfarmen… Die gesamte Informations- und Kommunikationsbranche verursacht knapp halb so viel Treibhausgasemissionen wie der gesamte Motorfahrzeugverkehr – und deutlich mehr als die Verkehrsflugzeuge: Der Anteil der Luftfahrt an den globalen CO2-Emissionen liegt bei 2,5 Prozent, der IT-Sektor pustet 3,7 Prozent CO2 in die Atmosphäre… Riesig ist die graue Energie, die für die Produktion eines Smartphones benötigt wird: Insgesamt werden etwa 30 verschiedene Metalle benötigt, um ein Handy zu produzieren. Und im Laufe seines Lebens verbraucht ein Smartphone alles in allem etwa 73,3 Kilogramm an Ressourcen – während es selbst nur etwa 80 Gramm wiegt… Bei jedem Eintritt in die Online-Welt wird eine gewaltige Maschinerie in Gang gesetzt: Wäre das Internet ein Land, hätte es den sechsthöchsten Stromverbrauch… Die Rechenzentren als Datenfabriken des digitalen Zeitalters fressen viel Strom, etwa drei Prozent des schweizerischen Stromverbrauchs; besonders problematisch ist die dauernde Kühlung. Beim Energieverbrauch im IT-Sektor findet ein Wettlauf mit der Zeit statt. Einerseits werden die Geräte effizienter und die Rechenzentren sparsamer, anderseits wachsen die Rechenleistung der Geräte, die Anwendungsfelder und die Datenmenge dramatisch. Eine einzige Überweisung der virtuellen Kryptowährung Bitcoin verbraucht so viel Strom, wie ein US-Amerikaner in einer Woche.

(Jürg Müller-Muralt, www.infosperber.ch, 12. Oktober 2019)

 

Es müsste mal ein Gremium kritischer Nutzerinnen und Nutzer digitaler Medien zusammensitzen und darüber nachdenken, welches sinnvolle Nutzungen sind und auf welche Nutzungen man problemlos verzichten könnte, ohne dass die Lebensqualität erheblich darunter leiden würde. Wetten, dass man den IT-Konsum damit auf maximal zehn Prozent des heutigen Gebrauchs reduzieren könnte. Muss man sich, zum Beispiel, auf seinem Smartphone jederzeit und überall jeden beliebigen Spielfilm anschauen können? Bestehen nicht 90 Prozent der täglich verschickten SMS aus reinem Schrott, den man auf ein paar wenige Worte pro Tag reduzieren könnte? Muss man sich seine Fahrkarte zwingend per Smartphone kaufen oder täte es auch der gute alte Billettautomat am Bahnhof? Gibt es irgendeinen plausiblen Grund, von jeder Ferienreise Hunderte von Bildern zu schiessen, von denen man vermutlich die wenigstens jemals noch anschauen wird? Der Beispiele gäbe es noch viele. Und ein riesiger Handlungsbedarf, nicht zuletzt im Hinblick auf die drohende Klimaerwärmung…