Die Zimmermädchen von Ibiza und Formentera: Irgendwo muss ja der erste Funke springen

Tausende Feriengäste werden am Wochenende auf den Mittelmeerinseln Ibiza und Formentera ihre Zimmer selbst herrichten müssen. Die 8000 Zimmermädchen in den Hotels fühlen sich von den Hoteliers nämlich schlecht behandelt und rufen mitten in der Hochsaison zum Streik auf. Geringe Löhne, harte Akkordarbeit, unbezahlte Überstunden, keine freien Tage, mangelhafte soziale Absicherung, Diskriminierung – die Liste der Klagen ist lang. «Wir halten den Tourismus, den wichtigsten Motor der nationalen Wirtschaft, in Gang», klagt eines der Zimmermädchen. Doch die Zimmermädchen würden mancherorts wie Sklavinnen behandelt. Etliche Hoteliers bekamen in den letzten Monaten bereits die Wut der Zimmermädchen zu spüren. Mit Transparenten postierten sich die Zimmermädchen, die sich unter dem Namen «Las Kellys» organisiert haben, vor Hotels und verlangten «würdige Arbeitsbedingungen». Dazu gehöre, dass die Arbeitsbelastung verringert werde, sagt Milagros Carreño. Die 54Jährige arbeitet seit 30 Jahren als Zimmermädchen und ist Sprecherin der «Kellys» auf Ibiza. «Normalerweise müssen wir 21 oder 22 Zimmer am Tag säubern, aber manche Kolleginnen müssen bis zu 30 Zimmer herrichten. Carreños Fazit: «Das ist unmenschlich.» Die Folge dieser beschwerlichen Arbeit und Hetzjagd von Zimmer zu Zimmer seien chronische Gesundheitsschäden. Viele Frauen würden die Arbeit nur mit Pillen durchstehen. Laut einer Umfrage der Gewerkschaften schlucken 70 Prozent der Zimmermädchen Tabletten.

(W&O, 23. August 2019)

Endlich. Nun müssten nur noch die Köche und das Servicepersonal auf die Barrikaden – sie hätten allen Grund dazu. Ist doch das Hotel im Kleinen sozusagen ein massstabgetreues Abbild des Kapitalismus im Grossen: Hier das bis zum Äussersten ausgewundene Personal, dort die Gäste, welche – auf was für Irrwegen auch immer – sich genügend überschüssiges Geld ergattert haben, um die Dienste der im Hotel Beschäftigten in Anspruch nehmen zu können. Und schliesslich Manager, Verwaltungsräte und Aktionäre, die, ohne sich besonders anstrengen zu müssen, dennoch ein Vielfaches dessen «verdienen», was die Angestellten am Ende des Monats in ihrer Lohntüte finden. Wenn wir bedenken, dass die Hotels auf Ibiza und Formentera nur ein paar ganz wenige Ausbeutungsinstrumente des weltweiten kapitalistischen Systems sind und sich das, was dort bittere Realität ist, von Land zu Land millionenfach wiederholt, von den Minenarbeitern im Kongo über die Textilarbeiterinnen in Taiwan bis zu den Plantagenarbeitern in Mittel- und Südamerika, dann wäre der Gedanken wohl nicht allzu weit hergeholt, der Aufstand der Zimmermädchen auf Ibiza und Formentera könnte vielleicht zum Anfang einer weltweiten Bewegung, eines weltweiten Generalstreiks, einer weltweiten Revolution werden. Irgendwo muss ja der erste Funke springen. Und weshalb sollten ihm nicht unzählige weitere folgen? Was ein einzelner Mensch bewirken kann, wissen wir spätestens seit der schwedischen Umweltaktivistin Greta Thunberg. Könnte nicht Milagros Carreño zu einer ähnlichen Symbolfigur werden? An den Schmerzen, an den Demütigungen und am Unrecht, das ihren zahllosen Leidensgenossinnen und Leidensgenossen weltweit zugefügt wird, fehlt es wohl kaum…